Nebel: Entstehung und Handlungstipps für Segler

Ein Beitrag von

Meeno Schrader

Dr. Meeno Schrader ist Diplom-Meteorologe, TV- und Hörfunk-Wetterexperte sowie Wetterrouter und -berater. Zudem ist der an der Nordsee aufgewachsene Fahrten- und Regattasegler mit mehr als 50.000 Seemeilen im Kielwasser Gründer der WetterWelt GmbH, die mit rund 20 Mitarbeitern weltweit Wassersportler und die Berufsschifffahrt berät.

Nebel auf See kann gefährlich werden

Leichter Wind, ruhige See, oftmals auch noch Sonnenschein, plötzlich taucht eine graue Wand auf, driftet zügig auf einen zu, innerhalb kurzer Zeit ist die Sicht weg, nur noch der Bugkorb ist aus dem Cockpit zu erahnen, pottendichter Nebel. Entfernungen und Richtungen abzuschätzen ist jetzt nicht mehr möglich.

Bei Nebel lassen sich die Entfernung zu und der Kurs von anderen Schiffen nur schwer einschätzen. ©NickKashenko/stock.adobe.com

Wären da nicht Kompass oder Plotter, verlöre man schnell die Orientierung: Grauer Nebel auf grauer See lässt Himmel und Wasser verschmelzen. Sehen tut man nichts, hören dafür umso besser. Wasser überträgt Schall um ein Vielfaches besser als Luft. Aufgrund der vielen Wassertröpfchen in der Nebelluft hat Nebel nahezu ähnliche Schallübertragungseigenschaften wie Wasser. Motorengeräusche werden nun über etliche Meilen übertragen und wahrgenommen, so als wären sie ganz nah. Ein gemeines Täuschungsmanöver.

Die Sichtweitenzuweisungen bei Nebel in den Seewettervorhersagen. ©BLAUWASSER.DE

Was ist Nebel?

Nebel ist eine am Boden oder auf der Wasseroberfläche aufliegende Wolke. Eine Riesenansammlung von Wassertröpfchen. Von Nebel ist bereits die Rede, wenn die Sichtweite weniger als 1.000 Meter beträgt. Das entspricht in etwa einer halben Seemeile.

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Es gibt vier Möglichkeiten, wie Nebel entsteht

Möglichkeit 1: Zufuhr von kalter Luft (Warmwassernebel)

Kalte Luft strömt über warmes Wasser. Dadurch kühlt sich die wassernahe Luftschicht ab, ihre Temperatur sinkt. Die Verdunstung an der Wasseroberfläche führt zu Feuchtesättigung der wassernahen Luft. Wird der Taupunkt unterschritten, kommt es zur Bildung von Nebel. Durch aufsteigende Nebelblasen entsteht der Eindruck, als rauche die See. Man nennt diesen Nebel daher auch „Seerauch“. Seerauch/Warmwassernebel erreicht kaum große Mächtigkeiten, meist zwischen 30 Zentimeter und 30 Meter.

Entstehungszeit: Auf Nord- und Ostsee entsteht Seerauch am häufigsten im Herbst und Frühwinter, über dem Labradorstrom hingegen ganzjährig.

Seerauch schränkt die Sicht nur teilweise ein. ©Sönke Roever

Möglichkeit 2: Mischung zweier Luftmassen

Die Entstehung des Mischungsnebels lässt sich im Badezimmer gut nachvollziehen. Beim warmen Duschen entsteht feuchtwarme Luft, die sich als Erstes an kälteren Flächen wie Spiegel und Fliesen niederschlägt, um letztendlich die übersättigte kältere Zimmerluft in eine Nebelwand zu verwandeln. Auf die gleiche Art entsteht Mischungsnebel. Wärmere Luftmassen tanken über den Meeren Feuchtigkeit. Vermischt sich diese feuchtwarme Luft mit vorhandener Kaltluft, bilden sich breitflächige Nebelbänke, die zumeist nur wenige Stunden anhalten.

Zwei Luftmassen hoher Luftfeuchtigkeit vermischen sich. Ein Tag zum Im-Hafen-Bleiben. ©Sönke Roever

Möglichkeit 3: Strahlungsnebel

Strahlungsnebel entsteht am häufigsten im Flachland. Beste Voraussetzung für seine Entwicklung ist eine klare Nacht mit wenig Wind und einer hohen Luftfeuchtigkeit. In der wolkenarmen Nacht kühlt sich der Erdboden durch Wärmeverlust in den Weltraum rasch ab.

Entstehungszeit: Diese Form von Nebel ist im Prinzip das ganze Jahr über möglich. Im Sommer hält der Strahlungsnebel nur sehr kurz durch, im Spätherbst und Winter ist er sehr viel zäher (Stunden bis Tage), wenn er hoch und dicht ist, sodass die Sonneneinstrahlung ihn nicht auflösen kann.

Eine Nebelwand zieht auf. ©Sönke Roever

Möglichkeit 4: Kaltwassernebel (Advektionsnebel)

Fließt warme Luft vom Festland auf die See, kann sich Nebel bilden, wenn die Luft durch sehr kaltes Wasser abgekühlt wird und bei hoher Luftfeuchtigkeit der Wasserdampf kondensiert. Dieser Nebel ist zäh und kann sich tagelang halten, wenn er nicht durch ein Tiefdruckgebiet (Gradientwind, Luftmassenwechsel) oder intensive Sonneneinstrahlung aufgelöst wird. Die Nebelschicht kann bis zu tausend Meter mächtig werden.

Entstehungszeit: Im Frühjahr auf der noch sehr kalten Nord- und Ostsee und auf Binnenseen.

Eine Nebelbank bei Gibraltar. Vorbeiziehende Feuchtluftpakete vom Atlantik werden von der kalten See heruntergekühlt. ©Sönke Roever

Wasser kann an seiner Oberfläche innerhalb weniger Seemeilen unterschiedliche Temperaturen annehmen. So gibt es in Nordsee und Ostsee sogenannte „Kaltwasserlinsen“, die von der Strömung an die Oberfläche geraten und mit ihr verdriften. Über diesen Kaltwasserlinsen entstehen Nebelbänke, die mit der Strömung weiterziehen (beispielsweise der „Bornholmnebel“). Sie sind schwer vorhersagbar. Gerät etwas kälteres Tiefenwasser an die Oberfläche, kann der Taupunkt unterschritten werden, es entsteht Nebel. Selbst mitten im Hochsommer passiert dies bei schönstem, sonnigem Wetter. Genauso schnell, wie die Nebelbank gekommen ist, ist sie auch wieder verschwunden (10-30 Minuten).

Seenebel zieht vor der Ostseeinsel Hanö auf. ©Sönke Roever

Seenebel entsteht weltweit über kalten Meeresströmen (Kalifornienstrom, Ostgrön-landstrom, Labradorstrom, Perustrom). Am Kap Finisterre im Nordwesten Spaniens sorgt kaltes Auftriebswasser für die zur Nebelentstehung notwendige Abkühlung der Luft. In der Passatregion vor der Westküste Nordafrikas und vor Nordperu ist es der ständig ablandig wehende Wind, der der Küste eine große Anzahl von Nebeltagen beschert, weil hier dadurch laufend großflächig kaltes Tiefenwasser an die Oberfläche kommt.

Andere Fahrzeuge kommen bei Nebel leider erst spät in Sicht. ©Sönke Roever

Was können Segler bei Nebel unternehmen?

Sobald sich Nebel andeutet, sofort und als Erstes die Position überprüfen und in der Seekarte unmissverständlich eintragen. Was einem im Nebel fehlt, ist die Orientierung, folglich können Himmelsrichtungen und Entfernungen kaum noch richtig eingeschätzt werden. Daher gilt auch: Positionslaternen einschalten, Nebelhorn ins Cockpit holen, Ausguck besetzen (einer guckt nur nach Backbord und vorn, einer guckt nur nach Steuerbord und achtern).

Bei Nebel ist ein konsequenter Ausguck unerlässlich. ©Sönke Roever

Falls man sich im Fahrwasser oder in der Nähe eines Fahrwassers befindet, sollte man dieses auf direktem Weg verlassen. Hier kann es hilfreich sein, sich im Tonnenstrich außerhalb des Fahrwassers fortzubewegen. Die Tonnen geben einem immer wieder eine neue Positionsbestimmungshilfe, und man kann sich ausreichend tiefer Wasserverhältnisse sicher sein. Nicht nervös werden, die Tonnen tauchen aufgrund der schlechten Sicht immer sehr spät auf!

Fahrwassertonnen geben Orientierung in der „Suppe“. ©Sönke Roever

Falls jegliche Schiffsbewegung zu unsicher und gefährlich erscheint (beispielsweise, weil man viele Nebelsignale aus unterschiedlichen Richtungen hört), bei einer Fahrwassertonne liegen bleiben und sich in unmittelbarer Nähe (ein bis zwei Bootslängen) sowie in Sichtkontakt mit der Tonne aufhalten. Die Kollisionsgefahr ist hier am geringsten.

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Sollte noch ausreichend Wind vorhanden sein, ist meistens (langsames) Segeln besser als Motoren, da man so andere Geräusche wie Motoren oder Nebelsignale besser hören und peilen kann. Nicht nervös werden, da man sonst Gefahr läuft, die Orientierung zu verlieren. Geduld haben, typische Nebelbänke im Sommer lösen sich bald wieder auf. Tagsüber bei Sonne kann man unter Land sicher sein, dass der Nebel dort lichter ist (Achtung: Wassertiefe!).

Blick über den Nebel. Mit einer Drohne ist das möglich. ©Sönke Roever

Fazit

Nebel kann überall und zu jeder Jahreszeit entstehen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber in den Sommermonaten aufgrund der höheren Temperaturen am geringsten. Nebelauflösung erfolgt durch Temperaturanstieg (Sonne, Warmluft, warmes Wasser) oder Einmischen von trockener Luft (Wind).

Schlechte Sicht bei Nebel ist unangenehm. ©Sönke Roever

Nebel ist für mich das unangenehmste Wetter. Ich habe lieber handfesten Sturm als Nebel. Man ist Letzterem so gnadenlos ausgeliefert. Geräusche werden (viel zu) gut übertragen, sind zugleich in Abstand und Richtung unglaublich schwer zu lokalisieren. Als wir einmal im November ein Schiff von der Ostsee in die Nordsee überführten und den Nord-Ostsee-Kanal gerade verlassen hatten, kam wenige Seemeilen flussabwärts auf der Elbe von Brunsbüttel auf Höhe der Oste kurz vor Cuxhaven Nebel auf. Das ging so schnell, dass wir bei dem dichten Schiffsverkehr nicht mehr rechtzeitig das Fahrwasser queren konnten. So befanden wir uns noch auf der Nordseite des Fahrwassers, mussten aber auf die Südseite, um in den Yachthafen von Cuxhaven zu gelangen.

Am sicheren Ankerplatz kann Nebel mystisch-schön sein. ©Sönke Roever

Wären nicht die vielen Schiffe gewesen, hätten wir innerhalb von 20 Minuten im Hafen festgemacht. So aber sollte es ein unvergesslicher Spießrutenlauf werden. Radar war bei uns nicht an Bord, wir waren also ganz auf Augen und Ohren angewiesen. Immer wenn wir dachten: „Jetzt ist der Weg frei“, setzten wir unter Maschine mit voller Fahrt voraus an, das Fahrwasser rechtwinklig zu queren. Nach nur einer Minute blaffte uns eine tiefe und bereits sehr (!) laute Schiffssirene an, und wir sprinteten mit Vollgas zurück. Beim vierten Versuch sahen wir im Nebel bereits die Lichter eines Schiffes, so nah war es, und wieder flüchteten wir mit einer 180-Grad-Drehung zurück gen Norden …

Irgendwann waren wir erfolgreich und kamen zwischen den Pötten rüber. Wie sich dabei herausstellte, waren wir bereits vorher erfolgreich und schon auf der anderen Fahrwasserseite, die Scheinwerfer gehörten nicht zu einem Schiff, sondern zu den Gabelstaplern des Cuxhavener RoRo-Terminals. Doch der Nebel täuschte so sehr unsere Sinne, dass wir alle drei an Bord dachten, dies sei die Schiffsbeleuchtung eines Kümos.

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Klaus Krieger
Klaus Krieger
4 Monaten her

Es ist schon 30 Jahre her. Wir waren mit AP-Navigator unterwegs nach Calais, wo uns kurz vor der Hafeneinfahrt dichter Nebel erwischte. Der ganze Schiffsverkehr inklusive der sehr lauten Hovercrafts ergaben eine beängstigende Geräuschkulisse. Erschwerend hinzu kam die Strömung. Zum Glück fanden wir eine Fahrwassertonne, in deren unmittelbarer Nähe wir mit Hilfe der Maschine unsere Position halten konnten. Wir nahmen dann per Funk Kontakt mit dem Hafen auf und baten um Radarberatung. Dort konnte man uns im Radar eindeutig identifizieren, da wir die Kennung die Tonne genau benennen konnten. Der Kontrollturm bot uns an, für uns die Einfahrt für eine… Mehr lesen »