Ein Beitrag von

Josef Horber
Schon als Kind träumte Josef davon, mit einem Großsegler entlegene Inseln im Pazifik zu erkunden. Ganz so weit ist er zwar noch nicht gekommen – doch als stolzer Eigner und Teilzeit-Skipper einer Winner 950 erkundet er regelmäßig von Kiel aus die dänische Südsee.
Ein Sommer mit unerwartetem Motorstillstand
Sommer 2024, endlich der langersehnte Urlaub. Wohlverdient nach einer anstrengenden Zeit. Die Winner 9.50 ist gepackt, der Proviant verstaut, der Kurs gesteckt, die Leinen klar zum Ablegen. Der Motor startet, aber … läuft irgendwie unrund. „Wird schon, wenn er warm ist“, ist die Hoffnung. Doch sie stirbt schnell. Der Diesel nimmt kein Gas an, hat keinen Schub. Nicht gut! Die Diagnose lautet bald: ein Kapitalschaden. Und jetzt?
Alle Optionen liegen auf dem Tisch: Die Reparatur des alten Diesels? Austauschmotor? Neuer Motor? Da ich seit Jahren zufriedener Fahrer eines Elektroautos bin, gehe ich der Option Elektro-Antrieb nach – und werde fündig.
Nach langer Recherche und sehr guter Beratung durch Greenboat Solutions entscheide ich mich für einen POD-Antrieb. Die Saison ist zwar gelaufen, doch mit Zuversicht und Neugier blicke ich auf den nächsten Sommer, der ein ganz besonderer werden wird. Über den Winter baut die Yacht- und Bootswerft Helmut Dick in Kiel den alten Diesel aus und installiert den neuen Elektro-Antrieb – schlüsselfertig.

Erste Bilanz nach einer Saison mit dem Elektro-Antrieb
Ich bin mit dem Elektro-Antrieb sehr zufrieden. Die Kosten lagen in etwa auf dem Niveau eines neuen Diesels, sodass der Umstieg keine große Hürde war. Besonders positiv überrascht hat mich die Reichweite: Selbst mit nur einer Batterie ist sie im Alltag absolut praxistauglich. Für typische Fahrten im Hafen, beim Manövrieren oder auf kurzen Etappen reicht die Energie völlig aus – und das Ganze läuft leise, sauber und wartungsarm. Doch der Reihe nach, die Eckdaten der Umrüstung sahen wie folgt aus:
Meine Segelyacht vom Typ Winner 9.50 wurde im Jahr 1990 gebaut, besitzt eine Länge von 9,50 Meter und eine Verdrängung von etwa 3,5 Tonnen. An Bord befand sich noch der erste Dieselmotor, ein Volvo Penta Modell 2002 mit 18 PS.
Ein neuer Austauschmotor vom Typ Volvo Penta D1-13F wäre mit 12 PS etwas schwächer gewesen und hätte ohne Einbau etwa 12.000 Euro gekostet. Einige Anbauteile wie der Saildrive und der Zweiflügelige Faltpropeller hätten weiterverwendet werden können.
Ein großer Schritt: Wir wechseln auf einen E-Antrieb für unser Boot
Statt den Motor durch einen neuen Diesel zu ersetzen, habe ich mich nach Abwägen der Vor- und Nachteile für ein komplett elektrisches System von ePropulsion entschieden und durch die Werft „von der Landstromdose bis zum Propeller“ alles erneuern lassen.
Die Hauptbestandteile:
- Ladegerät mit Inverterfunktion: Victron MultiPlus II, 48 Volt
- Batterie: ePropulsion E163, LiFePO4, 8,3 Kilowattstunden, 48 Volt, 163 Amperestunden
- Antrieb: ePropulsion Pod EVO, 6 Kilowatt, 48 Volt
- 2-Flügel-Faltpropeller, dadurch keine Rekuperation möglich
Der Saildrive, das Getriebe und ein Kühlsystem konnten bauartbedingt entfallen, weil der gesamte Antrieb künftig in dem Pod enthalten sein wird, der unter den Rumpf montiert wird. Das vorhandene 12-Volt-Bordnetz samt Verbraucherbatterie sollte hingegen erhalten bleiben und das nötige Ladegerät entweder über den Landstrom-Anschluss versorgt oder über den Inverter von der Antriebsbatterie geladen werden. Obwohl Motorräume auf 31-Fuß-Yachten für gewöhnlich knapp bemessen sind, passen nicht nur die Ladetechnik, sondern auch die Batterien in den vorgesehenen Raum und unter die Hundekoje.

Produktauswahl und Kosten für den Elektro-Antrieb der Yacht
Ich habe mich bei der Wahl der Batterien als auch des Antriebs für einen am Markt etablierten Hersteller (ePropulsion) entschieden. Es gibt durchaus preiswertere Batterien, die jedoch weniger robust ausgeführt sind. Ich habe sie aufgrund der kürzeren Lebensdauer und der höheren Brandgefahr deshalb von vornherein ausgeschlossen.
Für den kompletten Umbau des Bootes auf Elektro-Antrieb habe ich rund 35.000 Euro bezahlt. Das ist ein stolzer Preis – auf den ersten Blick weit höher als für einen Dieselmotor. Die Mehrkosten sind jedoch nicht durch den E-Antrieb an sich entstanden, sondern durch eine besonders hochwertige Ausführung und dem Umstand, dass ich keinerlei Arbeiten in Eigenleistung ausgeführt habe.
Um mehr Klarheit in den Kostenvergleich zu bekommen, habe ich vier Szenarien gegenübergestellt:
Diesel-Antrieb
Ein vergleichbarer Austausch-Diesel hätte 12.000 Euro gekostet, was in etwa den Materialkosten des Elektro-Antriebs entspricht.
Elektro-Antrieb – Economy-Variante
Einen neuen Elektro-Antrieb in der einfachen Ausführung in Eigenleistung einzubauen, wäre mit rund 14.000 Euro nur wenig teurer als der Diesel-Antrieb gewesen.
Elektro-Antrieb – Premium-Variante
Für rund 10.000 Euro habe mir durch eine besonders hochwertige Ausführung zusätzliche Sicherheitsreserven und Erweiterungsoptionen erkauft.
Elektro-Antrieb – Full Service
Ich habe keinerlei Eigenleistung erbracht, sondern alles von einer renommierten Werft machen lassen, selbst den Ausbau bzw. Rückbau des alten Diesels. Das kostete weitere 11.000 Euro.
Economy oder Premium beim Elektro-Antrieb der Yacht – was ist der Unterschied?
Statt lediglich die neuen Elemente des Elektro-Antriebs in den alten Motorraum zu montieren, ließ ich die Werft zunächst den Ausgangszustand eines Neubaus herstellen, also den Motorraum zurückbauen und dann für den Elektro-Antrieb optimieren. Die genauen Änderungen sind in den folgenden Bildern zu sehen.




Wäre die Economy-Ausführung für meine Fälle ausreichend gewesen? Mit Sicherheit. Aber ich denke, dass das „Upgrade“ dennoch eine sinnvolle Ergänzung zur Economy-Ausführung gewesen ist. In allen Überlegungen waren mir die Sicherheit und Flexibilität für künftige Erweiterungen wichtig.
Als optionale Erweiterungen habe ich neben der zweiten Batterie (Platz und Auflager bereits vorgesehen) noch einen Windgenerator, einen Induktionsherd mit elektrischem Backofen (als Ersatz für die Gas-Anlage) und eine elektrische Heizung vorgesehen. Damit wäre an Bord dann kein anderer Brennstoff mehr nötig.
Ohne Eigenleistung entstehen hohe Kosten bei der Umrüstung der Yacht auf einen E-Antrieb
Nach der Auswahl des Materials und der Ausführung konnte der Umbau losgehen. Doch die Frage, wer sich darum kümmert, war nicht leicht zu beantworten. Den alten Antrieb samt Tank, Kraftstoffleitungen, Motor und Saildrive auszubauen, war zwar kein Hexenwerk, nur hatte ich selbst neben dem Beruf keinerlei Zeit dafür. Den neuen Antrieb hätte auch jeder handwerklich versierte Segler einbauen können, denn auch diese Arbeiten halten sich in einem überschaubaren Rahmen. Selbst die Vormontage durch den Eigner und der elektrische Anschluss durch einen Fachmann wäre ein möglicher Kompromiss. Doch auch dafür konnte ich persönlich keine Zeit aufbringen. Deshalb fiel meine Wahl auf die Yacht- und Bootswerft Helmut Dick in Kiel, die ich mit der Ausführung aller Arbeiten beauftragte. Es ist schließlich gut, alles in einer Hand zu wissen.
Mit einem Einbau in Eigenleistung – oder zumindest einem Teil – wären die Kosten für die Umrüstung zwar deutlich günstiger ausgefallen, doch ich sehe diesen „Rundum sorglos“-Auftrag dennoch als gut angelegtes Geld, weil ich am Ende ein schlüsselfertiges und startklares Boot zurückbekommen habe. Doch das muss sich jeder Eigner individuell beantworten.
Wichtig ist mir nur eine faire Abwägung: Mein Projekt im Szenario „Full Service“ ist recht teuer geworden und hat den Wert des Bootes verdoppelt. Mit Eigenleistung hätte ich den gleichen Antrieb in einer einfachen Ausführung aber auch schon für den Preis eines Austausch-Diesels bekommen können.
Download: Über die entstandenen Kosten habe ich Buch geführt. Das PDF mit der Aufstellung kann hier heruntergeladen werden.
War der Umbau auf einen Elektro-Motor für mein Boot ein Erfolg?
Ein Elektro-Antrieb ist mehr als nur „gleich viel PS auf die Schraube“. Er bringt einen sofort spürbaren, zusätzlichen Komfort durch weniger Dieselgestank, Lärm und Abgase an Bord. Das spürt man besonders, wenn der Motor bei wenig Wind und stehenden Segeln mitschiebt. Das Fahrverhalten ist besser dosierbar und der Elektro-Motor bringt mehr Schub, bei weniger Leistung. Zudem ist er klimaverträglicher als ein Verbrenner.
Ein netter Nebeneffekt: Durch die Inverter-Funktion des Ladegeräts in Verbindung mit der Kapazität der Antriebsbatterie hat man unterwegs immer ausreichend Strom zur Verfügung, beispielsweise um den Kühlschrank laufen zu lassen, die 12-Volt-Batterie nachzuladen oder sogar Eiswürfel zuzubereiten.
Der Antrieb bringt zudem langfristig geringere laufende Kosten für Wartung (beispielsweise Motor-Inspektion), Reparaturen (irgendwas ist ja immer) und Ersatz für verschlissene Komponenten wie den Saildrive oder Propeller. An einem Elektro-Antrieb sind auch viel weniger bewegliche Komponenten vorhanden, die kaputt gehen könnten.
Schließlich eröffnet der Elektro-Antrieb eine Reihe von künftigen Optionen für weiteren Komfort- und Sicherheitsgewinn, wie beispielsweise einen elektrischen Kocher und Backofen, eine elektrische Heizung oder energetische Autarkie in Verbindung mit Solarpanelen oder einem Windgenerator.

Fazit zur Alltagstauglichkeit nach einer Saison
Ich komme mit der einen Batterie (8,3 Kilowattstunden) im normalen Sommertörn locker über die Runden. Mit meinem Fahrprofil brauche ich weder eine zweite Batterie noch einen Windgenerator oder Solarpaneele. In dieser Saison war ich mit dem Boot an etwa 30 Tagen unterwegs, davon zwei Wochen am Stück auf Urlaubstörn mit nur einem Hafentag. Im Schnitt kam ich abends mit einer Restreichweite von rund 80 Prozent im Hafen an, sodass ich mir nicht einmal immer die Mühe gemacht habe, den Landstrom anzuschließen. Unterwegs habe ich sogar noch oft den Inverter benutzt, um Strom von der Antriebsbatterie zeitweise für den Kühlschrank, den Wasserkocher oder zum Nachladen der 12-Volt-Batterie zu verwenden.
Die theoretische Reichweite meines Bootes mit der einen Batterie beträgt etwa 20 Seemeilen bei 3,5 Knoten Fahrt und glatter See. In diesem Sommer gab es nur einen „kritischen“ Tag, an dem der Wind unterwegs einschlief und der nächste geplante Hafen 25 Seemeilen entfernt lag. Solange es noch ging, habe ich zwar die Segel stehen gelassen, um den Rest des Windes noch zu verwerten und den Motor mitlaufen zu lassen. Das ist bei der geringen Lautstärke im Vergleich zum Diesel sehr komfortabel. Die Restreichweite (in Meilen und Stunden) wurde mir laufend aktualisiert angezeigt, sodass ich die Geschwindigkeit immer so anpassen konnte, dass ich den Hafen noch gerade eben erreiche. Mit etwa drei Knoten Fahrt und einer Restreichweite von 5 Prozent bin ich dann auch am Ziel angekommen. Selbst in diesem Fall wurde die Batterie innerhalb einer Nacht bis zum nächsten Morgen voll aufgeladen. Die theoretische Reichweite habe ich somit in der Praxis bestätigt.
Was ehrlicherweise mit einem Elektro-Antrieb nicht funktioniert, ist „den Hebel auf den Tisch zu legen“ und stundenlang gegen sechs Beaufort Wind und 1,5 Meter Welle an zu motoren. Ich persönlich mache so etwas sowieso nicht. Wer oft unter Zeitdruck ist, für den ist ein Elektro-Antrieb keine gute Option.
Probleme oder „Kinderkrankheiten“ gab es in der vergangenen Saison keine nennenswerten, allenfalls Optimierungsmöglichkeiten für die kommende Saison: Das Victron MultiPlus Ladegerät bekommt den Ladezustand der Batterie nicht direkt als Datensatz mitgeteilt, sondern muss ihn aus dem Widerstand des Ladestroms errechnen. Die Batterie erwartet am Ende des Ladezyklus eine abnehmende Ladespannung. Das Ladegerät liefert in der Grundeinstellung zu viel Strom. Daraufhin schaltet das in der Batterie integrierte Batterie-Management-System (BMS) den Ladevorgang ab und meldet eine Störung. Die Batterie wird in diesem Fall zwar vor Überspannung geschützt, die gemeldete Störung nervt aber. Eine Lösung ist eine genaue Justierung der Ladekurve an die Erfordernisse der Batterie. Das Ladegerät von ePropulsion hätte durch die kompatible Datenschnittstelle dieses Problem wohl nicht. Aber auch nicht die netten Zusatzfunktionen des Victron MultiPlus. Ein integriertes BMS ist aber elementar wichtig!
Alles in allem bin ich mit meinem neuen Elektro-Antrieb sehr zufrieden, finde die Kosten angemessen und freue mich auf viele weitere schöne Segeltage an Bord meiner WINDSONG.
























