Segeln mit Freunden: Sieben Fragen für den Törn

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Judith ist seit über 30 Jahren als Journalistin und Buchautorin im nautischen Bereich tätig. Die Österreicherin lebt in Wien, segelt am Neusiedler See und fühlt sich auf sportlichen Jollen, foilenden Boards und Fahrtenyachten gleichermaßen wohl.

Wer mit Freunden, Bekannten oder der Familie Urlaub an Bord einer Yacht verbringen möchte, sollte vorab gemeinsam ein paar wichtige Fragen klären.

Segeltörn mit Freunden. Das klingt nach einem guten Plan, denn geteilte Freude ist bekanntlich doppelte Freude und gute Gesellschaft einem gelungenen Urlaub üblicherweise zuträglich. Also fragt man herum, wer Zeit und Lust hat, bekommt Ab- und Zusagen und hat schließlich eine nette Truppe beisammen. Die Vorfreude ist groß, das vorab einberufene Crew-Treffen läuft prächtig, die Anreise funktioniert klaglos. Alles scheint perfekt zu sein – bis es am dritten Tag auf See gewaltig kracht. A streitet mit B, C bezieht nicht eindeutig Stellung, D ist daraufhin tödlich beleidigt, was E in die innere Emigration und F in den Wahnsinn treibt. Auweia.

Auch ein Konfliktherd zwischen nur zwei Personen kann sich schnell auf die ganze Crew ausweiten. ©komi$ar/stock.adobe.com

An Bord einer Yacht zeigen sich die Stärken und Schwächen der Menschen oft deutlicher und schneller

Auf einem Schiff werden aufgrund der Enge und Abgeschlossenheit positive und negative Eigenheiten überdeutlich sichtbar, Gefühle intensivieren sich. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für Zoff, und Zoff an Bord ist ein Alptraum. Man kann sich weder aus dem Weg gehen noch eine Auszeit nehmen, sitzt bis zum bitteren Ende buchstäblich in einem Boot. Darum sollte man bei der Wahl der Törnpartner besondere Umsicht walten lassen. Aber auf welche Kriterien gilt es zu achten? Die folgenden sieben Fragen sollte man mit potenziellen Mitseglerinnen oder Mitseglern ausführlich besprechen – und zwar bevor sie zusagen und nicht, nachdem Schiff und Flüge bereits gebucht sind.

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Frage 1 zum Segeln mit Freunden: Weißt du, was der Alltag an Bord konkret bedeutet?

Törn-Neulinge haben häufig romantisierte Vorstellungen vom Leben auf einer Yacht und sind dann geschockt von den tatsächlichen räumlichen Dimensionen und dem Mangel an Intimsphäre. Was der Salzbuckel als großzügige Kabine beschreibt, kann das Greenhorn als unzumutbares Verlies empfinden, die Konfrontation mit der beengten Nasszelle sowie den Besonderheiten der Pump-Toilette einen unbezwingbaren Fluchtreflex auslösen.

Weitere Aspekte, über die unerfahrene Crewmitglieder womöglich nicht Bescheid wissen, betreffen die Regeln zum Wasserverbrauch an Bord, die eventuell beschränkte Möglichkeit elektronische Geräte aufzuladen beziehungsweise zu benutzen oder den vergleichsweise geringen Stauraum. Ganz wichtig daher: Ausführliche, ungeschönte Info geben, das Bordleben in allen Details besprechen und im Zweifel lieber drastisch schildern. Besser vorher ein „Ich glaube, das ist nichts für mich“ ernten als nachher ein „Wenn ich das gewusst hätte“.

Was für die einen eine große Yacht ist, kann für einen Neuling eher beengt wirken. ©Michael Amme

Frage 2 zum Segeln mit Freunden: Welche Erwartungen hast du an die gemeinsam verbrachte Zeit?

Einen Törn kann man sehr unterschiedlich anlegen. Baden und Buchtenbummeln, Seemeilen fressen und das Letzte aus der Yacht holen, ausgedehnte Inselwanderungen machen und die Natur genießen, kulinarische Hotspots besuchen und lokale Sehenswürdigkeiten abklappern – was der eine gar nicht braucht, ist für den anderen unbedingte Voraussetzung für eine gelungene Urlaubswoche…

Divergieren die Erwartungshaltungen der Crewmitglieder stark, ist zwangsläufig irgendjemand frustriert. Was steht im Vordergrund bei unserem Törn: Erholung, sportliche Herausforderung, Abwechslung, Genuss? Das muss im Vorfeld geklärt werden, sonst drohen unterwegs täglich neue, nervige Diskussionen. Unterstützend macht es Sinn, die Route mit den angepeilten Zielen grob abzustecken; dabei sollte man aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass Wind und Wetter alle Pläne über den Haufen werfen können.

Beinhaltet der Törn auch sportliche Etappen, sollte das unbedingt vorab erklärt werden. ©Michael Amme

Frage 3 zum Segeln mit Freunden: Welche Tätigkeiten müssen von dir während des Törns erledigt werden?

Sofern die Yacht nicht mit Skipper und Hostess gechartert wurde, gibt es an Bord bekanntlich allerhand zu tun. Das betrifft einerseits die Bedienung der Yacht, andererseits die Haushaltsführung. Wenn einer ständig putzt und wischt, während es sich der Rest der Crew mit einem Buch am Vorschiff bequem macht, ist der Bordfrieden rasch gefährdet, wenn immer dieselbe nach der schleimigen Muring greifen muss, vielleicht auch. Daher rechtzeitig klarstellen, welche Arbeiten anfallen, wie diese aufgeteilt werden, wer wofür welche Kompetenzen mitbringt und wer was auf gar keinen Fall machen will oder kann. Auch Themen wie Ankerwache, Großeinkauf zu Beginn oder Endreinigung kann man bei dieser Gelegenheit ansprechen.

Auch kochen, abwaschen und saubermachen gehört an Bord mit zur Teamarbeit. ©Michael Amme

Frage 4 zum Segeln mit Freunden: Ist dir klar, dass der Skipper bestimmt, wo es langgeht?

Demokratie an Bord ist gut – wenn es darum geht, bei welchem Wirten man einen Tisch reserviert oder wie viel Apfel- und Orangensaft gebunkert wird. In Fragen der Schiffsführung hingegen hat der Skipper das Sagen: Ob man ausläuft oder im Hafen bleibt, ankert oder sich eine Boje schnappt, den Bug nach Norden oder Süden richtet, das bestimmt letztlich derjenige, der auch die Verantwortung für Schiff und Crew trägt. Landratten empfinden das manchmal als Macho-Gehabe oder Autoritätshörigkeit und können Entscheidungen, die der Skipper im Sinne der Sicherheit trifft, schlecht akzeptieren, speziell wenn dadurch Pläne durchkreuzt werden oder individuelle Vorlieben unberücksichtigt bleiben. Es macht daher Sinn, die Crewmitglieder ausdrücklich an die spezielle Rolle des Skippers mit all ihren Pflichten zu erinnern und ihnen vor Augen zu halten, dass es im Falle des Falles er ist, der den Kopf hinhalten muss.

Insbesondere bei der Planung der Tagesroute und der Auswahl des Liegeplatzes hat der Skipper das letzte Wort. ©Michael Amme

Frage 5 zum Segeln mit Freunden: Welchen Lebensstil pflegst du auf Urlaubsreisen?

In einem Hotel haben Frühaufsteher und Langschläfer kaum ein Problem miteinander, an Bord einer Yacht können unterschiedliche Schlafgewohnheiten die Nerven aller Beteiligten über Gebühr strapazieren. Daher vorab klären, ob die zukünftigen Crewmitglieder üblicherweise bis weit nach Mitternacht bei ihrer Flasche Rotwein sitzen oder mit dem ersten Hahnenschrei aus der Kajüte klettern. Stellt sich heraus, dass die Rhythmen sehr divergieren, sollte man sich ehrlich fragen, ob man die dafür nötige Toleranz aufbringen will – oder lieber nach anderen, ähnlich getakteten Mitseglern Ausschau hält.

Zum Lebensstil gehört auch die bevorzugte Form der Nahrungsaufnahme: Regelmäßig an Bord kochen oder abends lieber essen gehen? Ist sich die Crew darüber einig, hat man eine unter Umständen kritische Klippe umschifft. Es kann auch nicht schaden, wenn man abcheckt, wie viel Sauberkeit und Ordnung jemand braucht, um sich wohl zu fühlen, und ob sich das mit den Bedürfnissen und Gewohnheiten der anderen Crewmitglieder (und den Rahmenbedingungen an Bord) zur Deckung bringen lässt.

So viel Unordnung werden weder Skipper noch die meisten Mitsegler tolerieren wollen. ©Michael Amme

Frage 6 zum Segeln mit Freunden: Wie möchtest du die finanziellen Angelegenheiten handhaben?

Geld ist ein häufiges Konfliktthema, ob in Paarbeziehungen, Vereinen oder Wohngemeinschaften. Strenge Rechnung, gute Freunde, heißt es nicht umsonst, man tut also gut daran, sich vorab über die Finanzgebarung an Bord Gedanken zu machen und ein paar Regeln aufzustellen.

Das Einrichten einer Bordkasse macht auf jeden Fall Sinn, klären muss man, welche Ausgaben daraus bestritten werden. Eindeutig sind Hafengebühren oder Treibstoff, üblich ist auch der tägliche Einkauf von Brot, Obst oder Käse. Schwierig wird es beim Bezahlen der Restaurant-Rechnungen, vor allem wenn die Bestellungen sehr unterschiedlich ausfallen. Welche Lösung auch immer man findet, sie muss vorher besprochen und von allen als fair empfunden werden. Auch über das Hinterlegen der Kaution oder Abschließen von speziellen Versicherungen kann man in diesem Zusammenhang reden.

Sind die Reisebudgets sehr unterschiedlich, kann schon das Thema Essen gehen Konfliktpotential bieten. ©Michael Amme

Frage 7 zum Segeln mit Freunden: Welche Regeln sollen für den Umgang mit Kindern gelten?

Kommen mehrere Familien an Bord einer Yacht zusammen, kann das bereichernd, aber auch befremdlich sein. Bei sehr unterschiedlichen Erziehungsstilen sind Konflikte vorprogrammiert, und aus Konfliktstoff wird nicht selten Sprengstoff.

Tipp: Im Vorfeld ein paar Eckpfeiler ausdiskutieren und fixieren, die während des Törns für alle Kids gelten, zum Beispiel wann ungefähr Schlafenszeit ist oder ob es eine beschränkte Nutzung von Smartphone, Tablet & Co gibt. Und: Keine pädagogischen Grundsatzdiskussionen an Bord führen, stattdessen Humor bewahren und sich in Toleranz üben.

Streiten die Kinder untereinander, sollten sich die Eltern möglichst nicht einmischen, das macht die Sache erfahrungsgemäß nicht besser, nur langwieriger. Denn während sich der Nachwuchs auch nach hartem Kampf rasch wieder versöhnt, brauchen die Großen, sofern involviert, meist deutlich länger, ehe sie wieder zur Tagesordnung übergehen können.

An Bord gilt noch mehr als sonst die Regel: entspannte Eltern – entspannte Kinder. ©Max Topchii/stock.adobe.com

Fazit

Auch wenn es nur für die Dauer eines Urlaubstörns ist, Begleiter an Bord wollen gut gewählt sein. Gelungene gemeinsame Zeit an Land ist nicht unbedingt aussagekräftig, denn auf einer Yacht gelten andere Gesetze, und das im sprichwörtlichen wie übertragenen Sinn. Deshalb sollte man sich nicht davor scheuen, typische Konfliktpunkte bereits im Vorfeld anzusprechen und zu klären. Mindestens ebenso wichtig ist es, die Erwartungshaltungen der Crewmitglieder zu erfragen und – speziell, wenn es sich um Törn-Neulinge handelt – möglicherweise geschönte, realitätsferne Vorstellungen vom Leben an Bord zu korrigieren.

Der Urlaubstörn mit Freunden ist in der Regel eine große Bereicherung. ©Michael Amme

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Tino
Tino
3 Monaten her

Gutes Beispiel für den Anfang eines Konflikts an Bord :-))

Tino
Tino
3 Monaten her
Reply to  Tino

‘tschuldigung – für den Beginn eines Konflikts meine ich natürlich

Jürgen
Jürgen
3 Monaten her

Bei uns hat es sich bewährt, täglich z.B. vor, während oder nach dem Abendessen für einige Minuten eine “Vollversammlung” einzuberufen, in der jeder etwaige Probleme ansprechen kann. Dann löst sich oft vieles zur Zufriedenheit aller auf