Ankern – So geht es: Ausrüstung, Kettenlänge, Manöver

Ein Beitrag von

Sönke Roever

Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.

Ankern gehört für viele Segler zum Bordalltag

Weite. Flaute. Stille. Nach einem sportlichen Segeltag ist der Wind eingeschlafen und die Sonne hinter dem Horizont der Algarve verschwunden. Die Luft ist noch angenehm warm und im Cockpit wird es unter dem orangeblauen Firmament gemütlich. Wir ankern vor der portugiesischen Insel Culatra, sitzen im Cockpit und erfreuen uns im Schein der Petroleumlampe am Leben. Ein wunderbarer Tagesausklang. Stimmungsvoll, intensiv, erfüllend. So schön kann Ankern sein.

Ankern gehört für viele Segler zum Bordalltag wie der Wind zum Segeln. Gründe dafür gibt es viele. Die einen suchen die Nähe zur und die Einsamkeit in der Natur. Andere sparen so Marinagebühren. Mitunter lässt die Infrastruktur aber auch gar keine Alternative zu – insbesondere beim Blauwassersegeln. Wer beispielsweise nach Namibia oder Galapagos segelt, wird schnell feststellen, dass es dort keine einzige Marina gibt.

Und nicht zuletzt ankern die meisten Segler schlicht gerne. So auch ich. Inzwischen habe ich mehr als 600 Nächte vor Anker verbracht und ich genieße es jedes Mal wieder aufs Neue. Die Stille, die Einsamkeit, das Leben im Einklang mit der Natur. Herrlich.

Ankern in seiner schönsten Form: Bei Windstille unter dem Sternenhimmel. Mehr geht nicht. ©Sönke Roever

Die Vorstellung, nur an ein paar Kettengliedern irgendwo im Nirgendwo zu liegen, lässt so manchen Segler unruhig schlafen. Häufig fehlen Vertrauen und Erfahrung. Das ist schade und daher möchte ich an dieser Stelle einmal handfeste Tipps über die gängige Ankerpraxis geben. Wie geht das Manöver und was muss beachtet werden? Dabei werde ich ganz bewusst nicht auf die verschiedenen Ankertypen, Kettenmaterialien, Winschen und Bugbeschläge eingehen. Das ist ein anderes Thema. Hier soll es um die reine Praxis am Ankerplatz gehen, und das Vorhandensein eines vernünftigen Ankergeschirrs wird vorausgesetzt.

In Vollmondnächten ist es nachts relativ hell am Ankerplatz. ©Sönke Roever

Den richtigen Ankerplatz finden

Bei der Wahl des Ankerplatzes geht es vom Groben zum Feinen. Soll heißen: Erst wird eine passende Bucht gesucht, die bei allen zu erwartenden Wasserständen tief genug ist und zudem gegen Wind, Windsee und Dünung geschützt ist. Danach wird der richtige Spot innerhalb der Bucht gesucht. Dabei sollten folgende Fragen gewissenhaft beantwortet werden, bevor der finale Platz zum Fallenlassen des Ankers gewählt wird:

Erlaubt die Wassertiefe, gegebenenfalls einmal um den Anker zu schwojen (also 360 Grad)?

Bis auf wenige Ausnahmen ist es an einem Ankerplatz erforderlich, dass so viel Raum vorhanden ist, dass die Yacht bei jedem zu erwartenden Wasserstand einmal um die eigene Achse schwojen kann. Entsprechend viel Abstand ist zum Ufer und eventuellen Hindernissen unter Wasser zu wählen.

Wer nah am Ufer ankert, muss den Ankerplatz so wählen, dass genug Schwojraum bleibt. ©Sönke Roever

Bleibt der Wind in Richtung und Stärke stabil oder muss mit Winddrehern gerechnet werden?

In der Karibik beispielsweise weht in der Hauptsaison in der Regel ein sehr beständiger Nordostwind (Passatwind) und in der Folge sind die Buge der verschiedenen Yachten über Tage, ja gar Wochen, alle in dieselbe Richtung ausgerichtet. Auf der Ostsee hingegen setzt nachts oftmals Flaute ein und es reicht schon eine leichte Oberflächenströmung aus, um das Boot in eine andere Richtung zu bewegen. Ebenso kann es einen Wetterumschwung über Nacht geben.

Kurzum: Ich muss die Wettervorhersage studieren, weil Windrichtung und -stärke maßgeblich mein Schwoj-Verhalten beeinflussen. Außerdem kann eine geschützte Bucht plötzlich ungeschützt werden, wenn der Wind dreht.

Stabile Windverhältnisse. Diese Yachten in der Karibk zeigen mit dem Bug alle in dieselbe Richtung. ©Sönke Roever

Gibt es Strömung am Ankerplatz?

Auch die Strömung, wie sie beispielsweise in Flußläufen, Meeresengen oder Gezeitengewässern vorkommt, hat Einfluss auf das Schwoj-Verhalten und ich muss sie entsprechend bei der Wahl des Ankerplatzes berücksichtigen.

Unabhängig davon gibt es beim Ankern in der Strömung einige Aspekte, die beachtet werden sollten. Da es den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, sie alle zu erläutern, habe ich das Thema in diesem Beitrag ausführlich thematisiert.

Ankern in starker Strömung. Hier: Indonesien. ©Sönke Roever

Handelt es sich um ein Gewässer mit Tidenhub?

In Gezeitengewässern hat nicht nur die Strömung einen Einfluss auf das Ankermanöver, sondern auch der Tidenhub. Im Grunde genommen geht es nur darum, den maximalen Tidenhub für den Tag (Springtide, Nipptide oder irgendein Zustand dazwischen) sowie den Wasserstand zum Zeitpunkt des Manövers im Verhältnis dazu zu kennen. Das Ergebnis beeinflusst zwei Dinge:

Zum einen hat der aktuelle Wasserstand Einfluss auf die Wahl der Länge der Ankerkette. Logischerweise soll bei Hochwasser der Anker nicht ausbrechen. Ist das Wasser beispielsweise sechs Meter tief und es ist zu erwarten, dass es noch zwei Meter steigen wird, muss die Berechnung der Länge der Ankerkette für eine Wassertiefe von acht Metern erfolgen, damit ich bei Hochwasser auf der sicheren Seite bin.

Zum anderen soll natürlich umgekehrt bei Niedrigwasser noch genug Wasser unter dem Kiel am Ankerplatz vorhanden sein. Dazu ein Beispiel: Im Norden von Australien vor den Toren der Stadt Darwin gibt es die wunderschöne und bei Langfahrtseglern sehr beliebte Fannie Bay. Dort gibt es sechs Meter Tidenhub und man sieht immer wieder trockengefallene Fahrtenyachten, die schlicht zu dicht unter Land geankert haben.

In der australischen Fannie Bay gibt es sechs Meter Tidenhub. ©Sönke Roever

Wie ist die Bodenbeschaffenheit und ist mein Anker dafür der richtige?

Entweder ist das Wasser so klar, dass ich mit bloßem Auge erkennen kann, um was für einen Untergrund es sich handelt, oder aber ich kann der Seekarte entnehmen, welche Bodenbeschaffenheit in der Bucht zu erwarten ist. Für gewöhnlich sind die Bodenarten mit Buchstaben verklausuliert. Hier hilft ein Blick in die Legende der Seekarte. Beispielsweise steht der Buchstabe „S” in der Regel für den Begriff „Sand”. Sand, Lehm oder Schlick sind in der Regel sehr gute Haltegründe. Schwieriger wird es in größeren Seegrasfeldern, Kelp, Geröll oder Korallen, um nur einige zu nennen.

Dieser Ankerversuch ging schief. Am Boden gab es zu viel Seegras. ©Sönke Roever

Wo liegen die Anker der anderen Yachten und wie viel Kette haben sie ausgebracht?

Insbesondere an vollen oder in engen Ankerfeldern is es wichtig zu verstehen, wo die Anker der anderen Yachten liegen und wieviel Kette sie ausgebracht haben, da sich hieraus unterschiedliche Schwojkreise ergeben.

Die Länge der Kette sollte zum Nachbarlieger passen, da es sonst Probleme geben kann, wenn der Wind dreht. ©BLAUWASSER.DE

Ich habe mir angewöhnt, an sehr engen Plätzen die umliegenden Ankerlieger zu fragen, wie viel Kette sie ausgebracht haben, sofern sie anwesend sind. Alternativ gehe ich nach der Ankunft in tropischen Revieren oder dem Mittelmeer auch mal mit Brille und Schnorchel baden und mache mir ein Bild von der Lage unter Wasser. Das muss nicht sein, aber ich schnorchel und bade sowieso sehr gerne.

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Die Länge der auszubringenden Ankerkette ermitteln

Mittels Echolot wird die Tiefe an der Ankerstelle kontrolliert und danach die Länge der Kette bemessen. Dazu sei angemerkt, dass ich generell versuchen würde, nicht bei mehr als 20 Metern Wassertiefe zu ankern. Spätestens bei 30 Metern sollte Schluss sein?

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sollte immer eine Tiefe gewählt werden, in der zur Not noch mit einem Tauchgang der Anker klariert werden kann, wenn er sich doch einmal am Boden verfangen hat. Zum anderen kommt irgendwann der Punkt, an dem das gemeinsame, frei im Wasser hängende Gewicht von Kette und Anker so groß wird, dass die elektrische Winde an die Belastungsgrenze kommt. Eine zehn Millimeter starke Kette wiegt ca. 2,2 Kilogramm pro laufendem Meter. Das macht bei 30 Metern Tiefe 66 Kilogramm. Kommen dann noch 20 Kilogramm Anker dazu, sind das 86 Kilogramm, die die Winde nach oben hieven muss!

Kritiker könnten anmerken, dass ja nur ein Kettenvorläufer und ansonsten eine Leine verwendet werden könnte. Davon halte ich persönlich nicht viel. Auf eine Blauwasseryacht gehört ein solides, verlässliches Ankergeschirr und dazu gehört eben auch eine Kette, die mindestens 50 Meter lang sein sollte. Wie gesagt, wir reden hier von einer Blauwasseryacht und nicht vom Ankern auf der Ostsee, wo das sicherlich auch anders funktionieren kann. Gleichwohl ich da auch immer eine Kette nutzen wollen würde. Denn das A und O beim Ankern ist, neben dem Anker, der Kettenvorlauf.

Die Ankerkette hängt aufgrund ihres Eigengewichtes nahezu senkrecht herunter. ©Sönke Roever

Je mehr Kette auf dem Meeresboden liegt, umso besser hält der Anker, weil der Kettenvorlauf einige wichtige Aspekte erfüllt. Beispielsweise dämpft er Schwojbewegungen, er erzeugt auch Reibung am Boden und er sorgt dafür, dass der Zug am Anker waagerecht auftritt.

Mit einer Leine müsste deutlich mehr Länge ausgebracht werden, um diese Aspekte auszugleichen. Da wird es an vollen Ankerplätzen dann schon wieder schwierig mit umliegenden Yachten und dem großen Schwojradius.

Tipp: Taucht oder schnorchelt die Crew gerne, empfehle ich, einmal den eigenen Anker unter Wasser zu beobachten. Das schafft eine Menge Vertrauen ins Ankern. Wenn alles stimmt, sieht man dabei schnell, dass die Kette mit ihrem Vorlauf alle Bewegungen abfängt.

Ankerfeld vor Sardinien. ©Sönke Roever

Interessanterweise lese ich in Fachbüchern oder höre am Ankerplatz nicht selten Regeln wie „Immer mit der fünffachen Wassertiefe als Kettenlänge ankern”. Im flachen Wasser mag das vielleicht zutreffen, aber sobald es etwas tiefer wird, nicht. Wer bringt bei 25 Metern Wassertiefe bitte 125 Meter Kette aus? Mal davon abgesehen, dass der Schwojradius dann bis zu 100 Meter betragen würde. Wie soll ich das mit meinen Nebenliegern abstimmen?

Bei uns an Bord verfahren wir daher nach einer anderen Faustregel: Sofern es der Ankerplatz erlaubt, ankern wir so, dass am Boden mindestens 20 Meter Kette liegen. Ist das Wasser 3 Meter tief, bedeutet das Folgendes: 20 Meter Kette liegen am Boden. Dann kommen rund 5 Meter, in denen die Kette nach oben abbiegt und nicht dauerhaft am Boden liegt. Und schließlich folgt die Wassertiefe. Kurzum: 20 plus 5 plus 3 Meter — also 28 Meter Kette. Ankern wir auf 25 Metern Tiefe, wären es 20 Meter am Boden plus 5 Meter Kurve nach oben plus 25 Meter Wassertiefe — also 50 Meter.

©BLAUWASSER.DE

20 Meter Kette am Boden sind das Minimum. 30 Meter sind deutlich besser, wenn es der Platz im Ankerfeld erlaubt. Wir ankern, wann immer es geht mit 30 Metern Vorlauf — das reichte bisher immer! Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass die Kette schräg vom Anker am Boden nach oben zum Bug verläuft. Dafür ist sie mit zunehmender Tiefe viel zu schwer. Stichwort: Eigengewicht. Je tiefer es am Ankerplatz ist, desto senkrechter hängt die Kette herunter, weil ihr Eigengewicht so groß ist, dass ihr nichts anderes übrig bleibt. Und das ist gut so!

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Neben der Wassertiefe spielt bei der Berechnung der Kettenlänge auch die Windangriffsfläche der Yacht und die Stärke des Windes eine wichtige Rolle. Daher kann die vorstehende Regel nur als Faustformel betrachtet werden.

Mehr noch: Wenn ein Sturm vor Anker abgewettert wird, kann es sein, dass die Yacht die Kette stärker nach oben zieht, als ihr Eigengewicht sie nach unten zieht. Daher sollte in so einer Extrem-Situation immer so viel Kette wie möglich gesteckt werden, um über den Kettenvorlauf einen besseren Halt zu erzielen. Die vorstehende Faustformel gilt dann nicht mehr. Bei Sturm gilt: „Viel hilft viel” – sofern es der Platz erlaubt.

Tipp: Wer in die Thematik näher einsteigen möchte, dem sei dieser Beitrag über die mathematische Ermittlung der „richtigen” Kettenlänge wärmstens empfohlen.

Sturm am Ankerplatz ist eine Erfahrung, auf die wohl jeder gerne verzichtet. ©Sönke Roever

Längenmarkierungen an der Kette erleichtern das Ankern

Wichtig ist natürlich zu wissen, wie tief es ist und wie viel Kette ausgebracht wurde. Während die Tiefe auf dem Echolot abgelesen werden kann, helfen auf der Kette entsprechende Markierungen. Eine Variante, die Kette zu markieren, ist, sie mit Farbe anzumalen.

Markierungen helfen beim Bemessen der ausgebrachten Menge Kette. ©Sönke Roever
Auch diese Ankerkette wurde farbig markiert. ©Sönke Roever

Tipp: Die Markierung sollte alle zehn Zentimeter erfolgen und eine auffällige Farbe haben, da sie sonst übersehen werden kann. 10 Meter werden mit einem Strich markiert, 20 Meter mit zweien, 30 Meter mit dreien … Alternativ gibt es im Fachhandel sogenannte Kettenmarkierungen, neonfarbige Plastikclips, die man in die Kette clipst.

Dazu drei Anmerkungen: Am besten gleich zwei Pakete bestellen, da man einige Clips benötigt, um selbige nicht zu übersehen. Außerdem darf man sich auf keinen Fall Gedanken über die Herstellungskosten der Clips im Verhältnis zu ihrem Preis machen. Und schließlich hilft es, den farblichen Längencode der Kette in der Klappe des Ankerkastens zu vermerken. Damit hat jeder Mitsegler die Möglichkeit, beim Fallenlassen des Ankers anzuzeigen, wie viel Kette bereits ausgebracht wurde.

Der Farbcode der Kettenmarkierung wird im Ankerkastendeckel festgehalten. ©Sönke Roever

Wie schon angedeutet, kann es vorkommen, dass ein Sturm vor Anker abgewettert werden muss. Dann sollte gegebenenfalls ein zweiter Anker ausgebracht und vor allem — sofern die Wassertiefe groß ist — noch eine Leine angeschäkelt werden. Je nach Meeresgrund sollte dabei eine wichtige Regel nicht übersehen werden: Nie mehr Leine anschäkeln, als es tief ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Leine am Meeresboden durchscheuert. Vor diesem Hintergrund sollte die Leine ebenfalls mittels Sprühfarbe, Permanentmarker oder Taklingringen alle fünf Meter markiert werden, damit später die Länge exakt gewählt werden kann.

Bucht von Mahon (Menorca). Ankern wie in Abrahams Schoß. ©Sönke Roever

So wird das Ankermanöver gefahren

Die wichtigste Voraussetzung für entspanntes Ankern ist, dass das eigentliche Ankermanöver richtig gefahren wird. Das geht so: Zunächst wird die Länge der Kette nach dem vorstehenden Prinzip ermittelt und an ein Crewmitglied auf dem Bug weitergegeben. Anschließend wird das Schiff über der Abwurfstelle zum Stehen gebracht und das Kommando „Anker fällt“ gegeben.

Tipp: Während der Anker in die Tiefe rauscht, sollte der Mitsegler am Bug Handzeichen in Analogie zur Länge der ausgelaufenen Kette geben (1 Finger = 10 Meter, 2 Finger = 20 Meter usw.).

Zeichensprache: 4 Finger = 40 Meter Kette sind draußen. ©Sönke Roever

Wird der Punkt erreicht, an dem der Anker den Grund berühren müsste, beginnt der Skipper langsam rückwärts zu fahren, damit am Boden kein Kettenberg entsteht und sich Anker und Kette nicht verhaken. Die Betonung liegt hier auf „langsam”, damit der Anker nicht wieder ausgerissen wird, bevor er richtig gefasst hat.

Ist die passende Kettenlänge ausgebracht, wird Anker und Kette ein wenig Zeit gegeben, sich zu sortieren. Dabei fasst die Person auf dem Bug die Kette mit der Hand an — alternativ kann auch der Fuß auf die Kette gestellt werden. Solange sich Anker und Kette am Boden sortieren, sind auf der Kette Vibrationen zu spüren. Erst wenn der Anker richtig gefasst hat und die Kette ihre finale Parkposition eingenommen hat, kehrt Ruhe ein. Das ist der Moment, wo der Rückwärtsgang eingelegt und mit mindestens 1.200 Umdrehungen rückwärtsgelaufen wird. Dabei wandert das Schiff durch die Bucht, bis die Kette vollends gestreckt und der Anker in den Grund gezogen wurde.

Im folgenden Video ist das Eingraben sehr schön zu sehen. Das Video zeigt, wie wir vor Mallorca einen Bügelanker am Meeresboden eingefahren haben, indem die Maschine bei 1.500 Umdrehungen rückwärts lief (Kettenlänge 30 Meter – Wassertiefe 6 Meter).

Als nächstes muss ein Peilpunkt im Nahbereich gesucht werden — das kann eine andere ankernde Yacht (nicht ganz ideal, da diese schwojen kann, aber möglich), eine Tonne oder eine Pier sein.

Solange das eigene Schiff wandert, wandert auch der Fernbereich hinter dem Peilpunkt. Fasst der Anker und unser Schiff bleibt stehen, bleibt auch der Fernbereich hinter dem Punkt stehen. Dieser Zustand sollte nach nicht allzu langer Zeit erreicht sein. Zudem sollten nun keine Vibrationen mehr auf der Kette zu spüren sein. Ist beides der Fall, kann man sehr sicher sein, dass der Anker eingegraben ist und halten wird.

Mittels Peilung wird festgestellt, ob der Anker hält. In bebauten Gegenden ist das einfacher als vor einer reinen Palmenkulisse. ©Sönke Roever

Findet das Grundeisen keinen Halt, muss das Manöver noch einmal gefahren werden. Das ist zwar nervig, hat aber den Vorteil, dass wir jetzt schon herausgefunden haben, was wir sonst vermutlich morgens um vier Uhr bei aufbrisendem Wind und Regen herausgefunden hätten. 😉

Zum Abschluss wird noch der Ankerball gehisst, gleichwohl ich anmerken muss, dass das eher eine deutsche Tugend ist. An den Ankerplätzen der Welt interessiert das niemanden und kaum ein Segler macht das. Wichtiger ist dann schon das Ankerlicht. Im Zeitalter von LED-Lampen kann es im Prinzip 24 Stunden brennen, da die Leistungsaufnahme so gering ist.

Das Setzen des Ankerballs rundet das gelungene Manöver ab. ©Sönke Roever

Beim Ankern eine Ankerkralle verwenden

Wurde der Anker am Boden eingefahren, wird eine Ankerkralle in die Kette gehakt und über ein Tau auf einer Klampe belegt. Anschließend wird die Kette soweit gefiert, dass der Zug mittels der Kralle auf die Leine weitergeleitet wird (siehe Foto). Das entlastet die Lager der elektrischen Ankerwinde. Zudem wird die durch Einrucken in die Kette erzeugte, nicht unerhebliche Lärmbelästigung vermieden.

Eine Ankerkralle mit Leine und Ruckdämpfer, die auf einer Klampe belegt wird, entlastet die Winde. ©Sönke Roever

Hilfreich ist, wenn das Tau viel Reck hat oder um einen Ruckdämpfer gelegt wird. Dann werden alle Bewegungen optimal gedämpft — Seegang inklusive! Das gilt übrigens für beide Enden der Kette. Es kommt dadurch auch weniger ruckartiger Zug am Anker an. Etwa bei einer Böe.

Wie so eine Ankerkralle unkompliziert selber gebaut werden kann, habe ich in diesem Beitrag erklärt.

Die Ankerkralle wird in die Ankerkette eingehakt. ©Sönke Roever

Eine Ankerwache programmieren

Zu guter Letzt sollte immer eine Ankerwache programmiert werden. Das geht an fast allen GPS-Geräten oder auch über entsprechende Apps im Smartphone. Sollte der Anker nicht halten und sich die Position ändern, löst das Gerät einen Alarm aus. Diese Funktion sorgt für ruhigen Schlaf an unsicheren Ankerplätzen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf das System eingehen, ergänze aber noch eine E-Mail, die mir eine Seminar-Teilnehmerin gesendet hat: „Das mit der Ankerwache fand ich spannend. Ich habe es mit unserem Hand-GPS-Gerät getestet. Um auszuprobieren, ob die Wache auch geht, musste ich vor unserem Haus mit dem Ding herumlaufen, bis es piept! Das war echt lustig! Naja, ist halt noch kein Ankermeister vom Himmel gefallen!“

GPS-Ankerwache. Die Yacht ist momentan am roten Punkt und zuvor im Halbkreis geschwojt. ©Sönke Roever

Tipp: Für Anker-Neulinge kann es übrigens ein guter Start sein, beim ersten Ankermanöver nicht erst kurz vor Anbruch der Dunkelheit den Anker fallen zu lassen, sondern bereits am Nachmittag das Ziel zu erreichen. So vergehen einige Stunden bis zur Dämmerung, und Skipper und Crew haben schon ein Gefühl dafür bekommen, wie sich das Schiff vor Anker verhält und ob selbiger sicher eingegraben ist.

Ankerfeld im Mittelmeer bei den Liparischen Inseln. ©Sönke Roever

Den Anker wieder aufnehmen

Das Aufnehmen des Ankers läuft vergleichsweise einfach ab. Nach dem Herausnehmen der Ankerkralle zeigt das Crewmitglied auf dem Bug mit ausgestrecktem Arm an, wo die Kette liegt, sodass die Person am Ruder den Bug mit leichter Vorausfahrt in dieser Richtung halten kann. Das schont den Bugbeschlag und nimmt der Ankerwinde einen Teil der Arbeit ab. Das ist übrigens ein Job, den gut Kinder an Bord übernehmen können.

Der Anker wird aufgenommen. Das Kind rechts zeigt, wo die Kette hinführt. ©Sönke Roever

In den meisten Fällen bricht der senkrechte Zug nach oben den Anker aus dem Grund aus. Sollte dies nicht passieren, wird über den Anker hinweg gefahren, um ihn auszubrechen — spätestens jetzt ist eine stabile Halterung am Bug von großer Bedeutung.

In Griechenland verfängt sich unser Anker an einem alten Schrottanker. Ein Taucher muss kommen. ©Sönke Roever

Natürlich kann es auch passieren, dass ein Anker nicht wieder hochgenommen werden kann. Uns ist das auf unseren diversen Reisen bisher zwei Mal passiert. Einmal hing der Anker unter einem Korallenblock fest, und wir mussten ihn freitauchen. Beim anderen Mal hing er an einem alten Schrottanker von mehreren hundert Kilogramm Gewicht in einem griechischen Hafen am Boden fest. Da mussten wir einen offiziellen Taucher kommen lassen, weil privates Tauchen im Hafen strengstens verboten war. Für mittlerweile mehr als 600 Nächte vor Anker ist das eine ganz gute Bilanz.

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Der Einsatz einer Trippboje beim Ankern

Grundsätzlich kann eine Trippboje, die mittels einer dünnen Leine mit dem Anker verbunden ist, solche Probleme schmälern. Dazu wird die Leine – bezogen auf die Kette – am gegenüberliegenden Ende des Schaftes befestigt. Beim CQR- oder Bügelanker wäre das am Querholm.

Liegt der Anker am Meeresgrund, reicht die Leine vom Anker zur Wasseroberfläche. Dabei sollte die Länge der Leine mindestens drei Meter länger als die Tiefe sein (in Tidengewässern gegebenenfalls auch mehr). Die Boje am Ende der Leine zeigt dann an, wo der Anker liegt.

Trippboje im Einsatz (roter Ball Steuerbord voraus). ©Sönke Roever

Der große Vorteil ist, dass ein festhängender Anker mittels der Trippleine verkehrt herum aus dem Grund gezogen werden kann. Allerdings ergibt es wenig Sinn, an sämtlichen Ankerplätzen mit Trippboje zu ankern. Ist es an einem Ankerplatz beispielsweise sehr voll, kann sich die Boje in einem anderen Schiff verfangen und dann reißt das fremde Schiff unter Umständen unseren Anker aus dem Boden. Wir verwenden eine Trippboje immer dann, wenn die Beschaffenheit des Meeresgrundes unklar ist und genug Abstand zu anderen Ankerliegern gegeben ist. Dann kann sie eine sinnvolle Hilfe sein.

Im eigenen Interesse sollten auf der Trippboje der Name des Schiffes und ein Ankersymbol aufgemalt werden. Andernfalls kann es vorkommen, dass ein anderer Segler glaubt, dass es sich um eine Muring handelt und die Boje aufnimmt. Was nebenbei auch ein Grund ist, mindestens drei Meter mehr Leine als die Wassertiefe zu stecken. Sonst wird der Anker unter Umständen dabei aus dem Grund gezogen.

Da bleiben wenig Fragen offen. Ankern inmitten der Natur. ©Sönke Roever

Fazit

Ankern ist keine Zauberei. Im Gegenteil: Es ist eher eine Fleißarbeit, die mit der Zeit immer leichter von der Hand geht. Wer dabei die genannten Punkte beachtet, wird vermutlich schnell Freude daran finden. Und als Blauwassersegler kommt man eh nicht umhin, früher oder später die Nächte am Grundeisen zu verbringen. Ich persönlich bin ein großer Freund davon. Die Stille, die Einsamkeit und das Entdecken von Orten, an die man nur mit dem Boot gelangt. Das hat für mich einen anziehenden Reiz. Einen sehr anziehenden Reiz. 🙂

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gerhard
gerhard
3 Monaten her

super darstelliung

AndreasK
AndreasK
3 Monaten her

Sehr gut beschrieben und auch Begründungen geliefert. Sehr sinnvoller Beitrag, der einem die Angst vor dem Ankern über Nacht nimmt. Danke dafür!

Mach Helmut
Mach Helmut
1 Monat her

Ich finde alles sehr gut beschrieben. Dankeschön dafür. Eine Frage? Ab wann weiß der Skipper das der Anker den Grund erreicht hat. Gibt es da ein Handzeichen dafür.? Glg. Helmut