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Olivier Christen ist seit 2009 bei der Firma Bernhardt Apparatebau GmbH u. Co. (Secumar) als Verkaufsleiter Sport tätig. Olivier sammelte bereits als Kind Segelerfahrung auf einer von den Eltern selbstgebauten 36-Fuß-Ketch bei einer Mittelmeer-Umrundung und später auf verschiedenen Jollen in Frankreich. Seit 2001 lebt er in Norddeutschland und segelt Regatten auf unterschiedlichen Booten wie beispielweise J24.
Warum ist eine spezielle Rettungsweste für Kinder wichtig?
Rettungswesten stehen an erster Stelle der Sicherheitsausrüstung auf Yachten. Viele Yachteigner tragen sie auf jedem Segeltörn und auch für die jüngeren Crewmitglieder sind in der Regel Rettungswesten vorhanden. Gerade für Kinder ist es wichtig, konsequent eine Rettungsweste zu tragen. Viele Kinder können schlichtweg noch nicht schwimmen und sind folglich auch in solchen Situationen vom Ertrinken bedroht, in denen sich Erwachsene ohne eine Schwimmhilfe noch problemlos selbst retten können. So ist es nicht verwunderlich, dass Eltern ihren Kindern selbst am Steg gern eine Rettungsweste anlegen. Ein Sturz ins Wasser kann besonders für kleine Kinder – auch im Hafen – fatale Folgen haben!
Was viele Eltern nicht wissen: Nur mit einer passenden Rettungsweste können Kinder sicher vor dem Ertrinken bewahrt werden. Der Grund dafür ist nicht nur, dass ein kleiner Kinderkörper bei einer Rettungsweste für Erwachse schlichtweg durchrutschen kann, Kinder verhalten sich generell anders als Erwachsene im Wasser. Dies gilt sowohl für ihre Reaktionen auf einen Sturz ins Wasser als auch für die anatomisch bedingten Schwimmeigenschaften eines Körpers im Kindesalter. Nur mit einer optimal angepassten Rettungsweste bleibt ein Kind gut sichtbar an der Wasseroberfläche und es werden gleichzeitig die lebenswichtigen Atemorgane zuverlässig über Wasser gehalten.
Kinder verhalten sich anders als Erwachsene im Wasser
Wo liegen also die Hauptunterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern, wenn sie ungewollt über Bord gehen oder anderswo ins Wasser fallen? Dass viele Kinder noch nicht schwimmen können, habe ich bereits erwähnt, aber Kinder können auch in Wassertiefen ertrinken, in denen sie theoretisch noch problemlos stehen können. Das hat zum einen anatomische Gründe, die ich im nächsten Abschnitt beschreiben werde, liegt zum anderen aber auch daran, dass Kinder, die Wasser noch nicht gewöhnt sind, oft verkrampfen. Im schlimmsten Fall bleiben sie dann bäuchlings mit dem Gesicht im Wasser liegen.
Bei sehr kleinen Kindern kommt erschwerend der Krabbeltrieb hinzu. Fällt ein Kleinkind in Rückenlage ins Wasser, wird es versuchen, sich in die Bauchlage zu drehen, um zu krabbeln. Selbst wenn das Kind eine Rettungsweste trägt, die versucht, es in die sichere Rückenlage zu drehen, wird das Kind instinktiv gegen die Drehbewegung anarbeiten, um wieder in die Krabbelposition zu gelangen.
Zu guter Letzt muss noch ein weiterer Punkt im Auge behalten werden. Kinder spielen, toben, fallen auch mal hin oder robben über den Boden, eine Rettungsweste für Kinder muss all das aushalten können, um nicht unbemerkt kaputtzugehen!
Die Anatomie von Kleinkindern stellt besondere Herausforderungen an die Rettungsweste
Ertrinken ist eine der häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern, was neben ihren Fähigkeiten und ihrem Verhalten auch auf ihre Anatomie zurückzuführen ist. Ein weiterer Grund dafür, warum Kinder bereits im flachen Wasser ertrinken können, ist beispielsweise, dass ihre Nackenmuskulatur noch nicht stark genug ausgebildet sein kann, um den Kopf aus dem Wasser zu heben.
Generell ist die Anatomie von Kleinkindern schwimmphysikalisch ungünstig. Kleinkinder haben einen im Verhältnis zum Körper überproportional großen Kopf. Dadurch liegt der Körperschwerpunkt höher als bei Erwachsenen. Folglich fallen Kinder eher „kopfüber“ ins Wasser und auch im Wasser wird der Kopf eher nach unten gezogen. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass Kinder überdurchschnittlich viel Körperfett in den Beinen und Armen haben. Das sorgt für Auftrieb am unteren Ende des Körpers. Windeln können den Auftrieb am „falschen Ende“ des Körpers zusätzlich verstärken.
Um ein Kind sicher vor dem Ertrinken bewahren zu können, muss daher bei der Wahl der Rettungsweste ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass sie das Kind zuverlässig in die Rückenlage dreht und den Kopf aus dem Wasser hebt. Das ist auch bei ohnmachtssicheren Rettungswesten für Erwachsene ein wichtiger Punkt, Kinder brauchen jedoch einen im Verhältnis stärkeren Auftrieb für diese Drehbewegung.
Welche Gewichtskategorien gelten für Kinderrettungswesten?
Bei Rettungswesten für Erwachsene ist das Körpergewicht für die benötigte Auftriebsklasse nicht relevant. Die Auftriebsklassen in der Einheit Newton (N) beschreiben vielmehr, welche Anforderungen eine Rettungsweste nach der Deutschen Industrienorm (DIN) erfüllen muss. Eine Rettungsweste der Klasse 150 N muss beispielsweise in allen Gewässern funktionieren und ist ohnmachtssicher, allerdings nur eingeschränkt für Träger von Schwerwetterkleidung geeignet. Für sie kommt die nächsthöhere Auftriebsklasse von 275 N zum Tragen.
Einige hochwertige Rettungswesten für Kinder sind zwar in der 150-N-Klasse zugelassen, haben aber in Wirklichkeit nur einen Auftrieb von 90 oder 110 N. Mehr wäre für einen verhältnismäßig kleinen und leichten Kinderkörper zu viel. Mit einem zu großen Schwimmkörper würde das Kind wie auf einem Floß treiben und die eventuell lebensnotwendige Drehbewegung wäre nicht mehr gewährleistet.
Bei Kindern sind also Größe und Gewicht mitentscheidend, die Rettungsweste darf auf keinen Fall zu groß sein. Im Regelfall sind im Markt Kinderrettungswesten für ein Körpergewicht von 15 bis 30 Kilogramm und überlappend von 20 bis 50 Kilogramm zu finden. Danach können Rettungswesten für Erwachsene getragen werden.
Automatik- oder Feststoffrettungswesten für Kinder
Der sicherste Auftrieb um den Hals kann mit einer Automatikrettungsweste erzeugt werden. Nach dem Auslösen wird der Kopf am Hals im Kragen fixiert und konstant über Wasser gehalten. Bei Feststoffwesten hingegen kann der Kopf im vergleichsweise lose anliegenden Kragen in eine ungünstige Lage rutschen, zudem haben sie eine schlechtere Drehbewegung. Automatikrettungswesten bieten daher prinzipiell eine bessere Ohnmachtssicherheit.
Achtung: Damit die Automatikrettungsweste für Kinder den Kopf optimal fixiert, muss die Halsöffnung genau passen. Im Gegensatz zu den Automatikrettungswesten für Erwachsene gibt es hier keine Einheitsgröße.
Automatikrettungswesten sind für Kinder ab einem Alter von zwei Jahren erhältlich. Sie sind zwar teurer als Feststoffrettungswesten, haben dafür aber mehr Auftrieb, der zudem entscheidend besser platziert ist. Da Automatikrettungswesten erst nach dem Auslösen ihr volles Volumen entfalten, geben sie dem Kind mehr Bewegungsfreiheit. Sie sind also beispielsweise beim Spielen nicht so ungewohnt einengend.
Übrigens: Die Befürchtung mancher Eltern, eine Automatikrettungsweste könnte im Ernstfall versagen, ist unbegründet – vorausgesetzt die Rettungsweste wurde in den vorgeschriebenen Intervallen gewartet. Generell sollten Eltern regelmäßig die Auslösevorrichtung der Weste prüfen. Kinderrettungswesten haben dieselben Auslösevorrichtungen wie die Westen für Erwachsene, nur mit kleineren Patronen. Farbige Indikatoren auf den Automaten zeigen an, ob die Auslösevorrichtung einsatzbereit ist.
Konstruktionsbedingt ist es zudem bei Feststoffwesten schwierig, einen Harness zum Anleinen zu integrieren. Vorausgesetzt, die Herstellung, Technologie und Wartung der Automatikrettungsweste stimmen, sind Feststoffwesten darüber hinaus nicht, wie häufig angenommen, robuster als Automatikrettungswesten.
Diese Ausstattungsmerkmale erhöhen die Sicherheit einer Rettungsweste für Kinder
Generell versuchen Kinder gern, sich von einer ungewohnten Rettungsweste zu befreien. Das ist ungünstig, wenn es in einem unbeobachteten Moment geschieht! Die Rettungsweste sollte daher so konstruiert sein, dass das Kind sie nicht eigenständig abnehmen kann. Dazu gehört beispielsweise auch, dass sich der Verschluss der Rettungsweste nur mit zwei Finger öffnen lässt.
Der Norm entsprechend müssen alle Automatikrettungswesten auch einen Handauslösemechanismus haben. Er sollte bei Kinderrettungswesten eher schwer zugänglich sein, damit sie nicht aus kindlicher Neugier ausgelöst werden. Wie auch bei Erwachsenenrettungswesten ist ein Schrittgurt Pflicht, um ein Herausrutschen aus der Rettungsweste zu verhindern.
Ein integrierter Harness zum Anleinen ist besonders auf hoher See von Vorteil, wenn neben den Kindern auch noch Kurs und Segelstellung im Blick behalten werden müssen. Von der Norm her muss eine Lifeline zum Anleinen für Kinder bis 50 Kilogramm körperseitig eingeschlauft werden. Das bedeutet, dass an der Rettungsweste eine Schlaufe und kein Karabiner angebracht wird, den das Kind öffnen könnte.
Neben dem Harness haben einige Kinderrettungswesten auch noch einen Griff im oberen hinteren Bereich zum schnellen Greifen und Herausziehen aus dem Wasser. Dieser Griff kann auch zum Rüberreichen des Kindes auf den Steg genutzt werden.
Wie bereits erwähnt, sind Kinderrettungswesten durch Toben und Spielen höheren mechanischen Belastungen ausgesetzt. In diesem Zusammenhang haben sich Schwimmkörper mit mehrlagigem Aufbau bewährt. Die Schichten haben eine unterschiedliche Elastizität und verschieben sich daher bei einer Beschädigung so gegeneinander, dass sie beim Aufblasen das Loch wieder verschließen.
Was muss beim Anlegen einer Rettungsweste für Kinder bedacht werden?
Wie bei Erwachsenen müssen auch bei Kindern Rettungswesten eng anliegen. Das bedeutet, dass die seitlichen Verstellmöglichkeiten beim Anlegen fest angezogen werden müssen. Entgegen der Erwartung wird die Rettungsweste dadurch übrigens bequemer, da die Schultern entlastet werden. Vorausgesetzt, die Rettungsweste hat eine gute ergonomische Passform, können sich Kinder mit einer fest ansitzenden Rettungsweste gut frei bewegen und spielen.
Die Weste sitzt richtig, wenn der Harness nicht zu hoch oder zu tief sitzt. Sitzt er zu tief, ist die Weste nicht nur zu groß, im Ernstfall fängt dann auch nicht der Brustkorb, sondern der Rücken den Zug an der Lifeline ab. Das kann zu Rückenverletzungen führen! Sitzt der Harness zu hoch, ist die Weste zu klein und es ist Zeit für die nächstgrößere.
Tipp: Es hilft nicht nur, einem Kind die Wichtigkeit einer Rettungsweste zu erklären, sondern auch, es spielerisch an das Tragen und die Handhabung heranzuführen. Einfach mal zum Spaß die Weste anziehen, das Aufblasen mit dem Mund ausprobieren und vielleicht sogar auslösen. Ein Schwimmbadbesuch ist dafür ideal. 🙂 Klar, das kostet dann den (überschaubaren) Preis einer neuen Patrone, schafft aber viel Vertrauen bei allen Beteiligten.
Fazit
Rettungswesten können im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden, dementsprechend sollte die Rettungsweste mit Weitsicht ausgewählt werden. Bei Kindern muss besonders aufgepasst werden, da sie anders auf Wasser reagieren, andere Schwimmvoraussetzungen haben oder auch einfach nur unbemerkt aus dem aktuellen Modell herauswachsen. Das ist wichtig, denn nur eine passende Rettungsweste gibt einem Kind eine ungetrübte Bewegungsfreiheit zum Spielen und garantiert gleichzeitig die bestmögliche Sicherheit beim Segeln, im Hafen und im Beiboot.
Weitere Informationen auch unter www.secumar.com