Segeln Madeira: Zwischen Vulkanen, Wolken und Blütenmeeren

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Johannes Erdmann überquerte im Alter von 19 Jahren zum ersten Mal einhand den Atlantik. Während seines Schiffbaustudiums schrieb er sein erstes Buch „Allein über den Atlantik“. Nach zehn Jahren als Wassersportjournalist, rund 60.000 Seemeilen im Kielwasser und sieben Jahren auf See gibt er heute seine Erfahrung vom Langfahrtsegeln als Berater und Journalist weiter. Mit Shorecrew.de begleitet er zudem angehende Eigner auf dem Weg zur eigenen Yacht und gehört zum Expertenteam von BLAUWASSER.DE.

Von Wolken verhangen und schwer zu finden

Vier Tage waren wir unterwegs – 470 Seemeilen von Lissabon bis Madeira. Der Nordostpassat blies konstant mit 20 Knoten, das Barometer stand stabil, und die Logge zeigte Tag für Tag über 140 Meilen. Als wir Lissabon verließen, versank die Stadt bereits in der Weihnachtsdeko – und wir segelten Richtung Frühling.

Doch auch am Morgen des vierten Tages ist die Insel lange nicht zu sehen, obwohl wir laut GPS schon in unmittelbarer Nähe sind. Stattdessen liegt vor uns nur ein grauer Horizont aus tief hängenden Wolken. Madeira versteckt sich – wie so oft – in seinem eigenen Wetter.

Der Grund liegt im Zusammenspiel von Passatwind und Gebirge: Der Nordostpassat bringt feuchte Luft vom Atlantik, die an der steilen Nordseite der Insel aufsteigt, abkühlt und zu dichten Wolken kondensiert. Während die Nordhänge in Nebel gehüllt sind und sich Regenwald-artige Vegetation bildet, herrscht auf der Südseite meist Sonne und klares Wetter. Dieser sogenannte Luv-Lee-Effekt macht Madeira zu einer Art Wettergrenze mitten im Ozean – feucht im Norden, trocken und mild im Süden.

Die Insel weit draußen im Atlantik begeistert durch ihre vielfältige Vegetation. ©Johannes Erdmann

Vermutlich ist genau dieses Wolkenband auch der Grund, warum Madeira erst einige Jahrzehnte nach den Kanaren entdeckt wurde, obwohl sie geografisch auf dem Weg dorthin liegt – nur etwas nördlich der üblichen Route. Von Norden kommend blieb die Insel oft einfach unsichtbar.
Erst als sich die ersten Konturen schließlich aus dem Dunst schälten, wissen wir: Wir sind nirgendwo falsch abgebogen, sondern das Ziel ist erreicht. Madeira – eine Insel, die sich selbst im Nordatlantik wie ein grüner Außenposten Europas erhebt.

Die beiden Portugiesen Zarco und Teixeira wurden von einem Sturm hinaus auf den Atlantik getrieben und entdeckten dabei zufällig Madeira. ©Johannes Erdmann

Entdeckung und Geschichte einer Seefahrerinsel

Madeira spielt seit den frühen Tagen der europäischen Entdeckungsreisen eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Seefahrt. Im Jahr 1418 segelten die Portugiesen João Gonçalves Zarco und Tristão Vaz Teixeira entlang der afrikanischen Küste, als sie ein Sturm weit nach Westen trieb. Zufällig landeten sie auf einer kleinen Insel, die sie Porto Santo tauften. Ein Jahr später, 1419, stießen sie auf das größere Nachbareiland – eine üppig bewaldete, grüne Oase mitten im Atlantik. Sie nannten sie Madeira, das portugiesische Wort für Holz.

©BLAUWASSER.DE

Unter der Schirmherrschaft von Prinz Heinrich dem Seefahrer wurde Madeira zu einer der ersten Überseekolonien Portugals. Kolonisten rodeten die Wälder, legten Terrassen an, bauten Zuckerrohr und Wein an und entwickelten ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem – die heute berühmten und vor allem bei Wandertouristen beliebten Levadas.

Eine Levada-Wanderung gehört zu den Touri-Pflichten auf Madeira. Ein Erlebnis, das man nicht missen sollte. ©Johannes Erdmann

Besonderen Ruhm erlangte der Madeirawein, der sich dank seiner außergewöhnlichen Haltbarkeit auf langen Seereisen zum Exportschlager entwickelte. Er überstand die tropische Hitze und den Wellengang auf den Handelsschiffen nicht nur unbeschadet, sondern gewann dadurch an Geschmack. So gelangte er bis in die britischen Kolonien Nordamerikas, wo er bald als Symbol für Bildung und Unabhängigkeit galt. Als die amerikanischen Gründerväter 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, stießen sie mit Madeirawein an – er war der einzige Wein, der die Atlantiküberfahrt in Fässern schadlos überstand.

Bis heute trägt Madeira diesen Geist einer alten Seefahrerstation in sich: ein Ort des Aufbruchs, des Handels und der Begegnung – ein Außenposten Europas mitten im Atlantik.

Ansteuerung nach vier Tagen Atlantik

Von See aus wirkt Madeira wie ein Gebirge, das direkt aus dem Wasser wächst. Steile Flanken, über 1800 Meter hohe Gipfel, Wolken, die an den Hängen kleben. Kein anderes Ziel, das ich bisher auf eigenem Kiel angesteuert habe, hat so viel vertikale Präsenz.

Wir nähern uns aus Nordosten. Schon 20 Meilen vor der Küste spürt man den Düseneffekt der Insel: der Wind beschleunigt, die See wird unruhig. In Böen schießt der Windmesser auf über 30 Knoten, nur um kurz darauf in die Flaute zu kippen.

Grüne Insel mitten im blauen Atlantik – Madeira auf eigenem Kiel ist ein Ziel für die Buckelist. ©Johannes Erdmann

Die Einfahrt nach Quinta do Lorde, der östlichsten Marina Madeiras, ist unproblematisch. Keine Riffe, keine Untiefen – nur offenes, tiefblaues Wasser, das sich ruhig an die karge Küste schmiegt. Und doch wirkt das erste Aufleuchten des Echolots nach Tagen auf tausend Meter tiefem Ozean fast alarmierend: 73 Meter. Plötzlich sind wir im „Flachwasser“.

Kurz darauf schiebt sich die massive Kaimauer des Hafens quer vor den Bug. Wir biegen nach Osten ab, das Meer wird glatt, der Wind verstummt. Noch einmal zieht unser Kielwasser an uns vorbei – dann liegen wir fest. Vier Tage und 470 Seemeilen liegen achteraus. Madeira empfängt uns mit Stille.

Der Blick vom östlichsten Punkt der Insel gen Westen. ©Johannes Erdmann

Quinta do Lorde – sicherer Hafen am Rande der Welt

Quinta do Lorde ist ein Resort-Hafen, der zu einem Hotel gehört, das allerdings ein wenig in die Jahre gekommen ist. Der Hafen selbst ist sauber, ordentlich, etwas zu groß für die paar Yachten, die hier im Winter liegen. Wir werden freundlich empfangen, das Einchecken geht schnell. Diesel, Wasser, Strom – alles vorhanden. Selbst ein kleiner Kran, eine Werft und ein funktionierendes WLAN.

Jetzt im Winter ist es hier besonders friedlich. Kein Verkehr, kaum Touristen, nur das Rauschen der Brandung draußen an der Mole. Außer zwei kleinen Restaurants und einem kleinen Einkaufsladen gibt es nicht viel zu unternehmen, bis auf eine Wanderung zum östlichsten Punkt der Insel (1,5 Stunden pro Weg). Am Abend sitzen wir an Deck, trinken den ersten Madeirawein und beobachten, wie sich über den Bergen die Wolken färbten.

Quinta do Lorde – Erster Hafen auf Madeira. Ein Ort zum Verschnaufen. ©Johannes Erdmann

Entlang der Südküste nach Funchal

Nach zwei Tagen Ruhe machen wir uns auf, entlang der Südküste nach Westen zu segeln – Richtung Funchal, der Hauptstadt. 20 Seemeilen, die man schnell unterschätzt. Ankerplätze gibt es an der Küste Madeiras leider nur sehr wenige. Wer aber noch ein wenig die Kulisse der Vulkaninsel genießen möchte, kann an der Enseada da Abra gleich um die Ecke (östlich) von Quinta do Lorde bei gutem Wetter noch eine Nacht verbringen.

Der Wind weht ablandig und zwischen den Bergen bilden sich starke Fallböen. In einer Bucht rauscht der Wind mit 30 Knoten durchs Rigg, eine halbe Meile weiter herrscht Windstille. Madeira ist ein Lehrbuchbeispiel für Inselwetter: unberechenbar, aber faszinierend.

Die Küste ist spektakulär – terrassierte Hänge, Häuser, die scheinbar senkrecht an den Felsen kleben, und immer wieder Tunnelschneisen der neuen Küstenstraße. Nach etwa einem Drittel der Strecken nach Funchal passieren wir den zweiten Hafen der Insel, den kleinen Fischerort Machico.  Hier habe ich vor etwa 20 Jahren mal mit meiner Familie Hotelurlaub gemacht, direkt am Wasser. Der Ort ist kaum wiederzuerkennen, alles wurde modernisiert. Während hier früher noch Yachten in der Bucht ankerten, gibt es nun einen kleinen Hafen mit starker Betonmole, in dem Yachten nur auf der Südseite im Päckchen liegen können. Zumindest solange der Wind nicht von Südwesten kommen, was hier glücklicherweise selten der Fall ist.

Das kleine Hafenbecken von Machico. Auch Ankern ist hier möglich. ©Johannes Erdmann

Ankern ist immer noch möglich, für etwa sieben bis acht Boote. Das Dingi bleibt in diesem Fall am Besten im Yachthafen, Anlanden am Badestrand ist nicht zu empfehlen. Supermärkte und Restaurants sind in kurzer Distanz fußläufig zu erreichen. Ein Tipp für das Abendessen: Thunfisch im Restaurant „Gala“ direkt in der ersten Reihe. Ein Gedicht.

Am nächsten Morgen nehmen wir Kurs auf Funchal, aber nicht ohne vorher dicht unter dem Flughafen zu passieren, der schon von weitem ein imposantes Erscheinungsbild hat. Er wirkt wie ein Flugzeugträger, der an Land sitzt. Die Landebahn ist großen Stelzen über die Küste gebaut. Darunter liegen Segelyachten im Hallen-Winterlager.

Der Flughafen von Funchal ist ein imposantes Bauwerk, weil er hinaus aufs Meer ragt. ©Johannes Erdmann

Funchal – wo Geschichte und Gegenwart anlegen

Funchal ist eine Großstadt. Ein Kontrast zu Quinta do Lorde. Hochhäuser, Kreuzfahrtschiffe, das dichte Stadtbild. Die Marina liegt mitten in der Stadt, direkt an der Promenade. Kaum ist man fest, hört man Musik, Stimmen, Verkehr. Ein Kulturschock nach der Ruhe der letzten Tage, aber ein angenehmer.

Funchal war einst ein wichtiger Zwischenstopp für die großen Entdecker der Neuzeit. Von hier aus brachen Schiffe nach Afrika, Brasilien und in die Karibik auf. Heute ist der Hafen Treffpunkt moderner Nomaden – Atlantiküberquerer, Langfahrtsegler und Aussteiger, die hier auf Wind, Ersatzteile oder einfach auf das nächste Wetterfenster warten.

Liegeplatz in Funchal – mitten im Trubel der Innenstadt. ©Johannes Erdmann

Die Marina hatte in den vergangenen Jahren deutlich Patina angesetzt. Stege, Sanitäranlagen und Infrastruktur waren lange Zeit in keinem guten Zustand. Inzwischen wird sie jedoch umfassend modernisiert und erweitert – ein längst überfälliges Projekt, das Funchal wieder den Glanz verleihen dürfte, den es als wichtigste Segelstation im Nordatlantik verdient. Besonders in der Hochsaison zwischen August und November, wenn die Boote Richtung Kanaren und Karibik aufbrechen, ist jeder Liegeplatz belegt. Im östlichen Teil des Hafens sind inzwischen neue Plätze für größere Yachten, Katamarane und Ausflugsboote entstanden.

Die berühmten Kaimauer-Gemälde von Madeira. ©Johannes Erdmann

Eine charmante Besonderheit ist die Kaimauer von Funchal: Hier verewigen sich vorbeiziehende Segler mit bunten Wandbildern – eine Tradition, die ursprünglich in Horta auf den Azoren begann und seit über 40 Jahren auch auf Madeira gepflegt wird. Jedes Gemälde erzählt seine eigene Geschichte, von Wind und Wellen, von langen Reisen und kleinen Crews. Man kann stundenlang an der Mauer entlanglaufen, die Kunstwerke bestaunen – oder selbst zum Pinsel greifen. Natürlich haben auch wir unser Zeichen hinterlassen.

Auf dem Markt in Funchal. Hier gibt es Früchte, die nirgendwo anders wachsen. ©Johannes Erdmann

Wir verbringen mehrere Tage hier, warten auf ein Wetterfenster für die Atlantiküberquerung, machen Proviantlisten, kontrollieren Segel und Riggs. Direkt hinter der Marina gibt es Supermärkte, eine Dieselstation und mehrere gute Werften.

Auf dem Mercado dos Lavradores riecht es nach Passionsfrüchten und Fisch – ein Ort, an dem man die Insel nicht nur sieht, sondern riecht und schmeckt. Abends gehen wir durch die Altstadtgassen der Zona Velha, wo jede Tür ein Kunstwerk ist.

Auf dem Markt ist das Angebot schier endlos. ©Johannes Erdmann

Wer über den Mercado dos Lavradores schlendert, kommt an einer lokalen Delikatesse nicht vorbei: dem Espada, auch „Degenfisch“ genannt. Das tiefschwarze Tier mit seinen riesigen Augen und messerscharfen Zähnen lebt in Tiefen zwischen 800 und 1200 Metern – dort, wo kaum Licht hinfällt. Gefangen wird er nachts, mit langen Leinen, die weit in den Atlantik hinabgelassen werden. Wenn die Fischer ihre Boote am frühen Morgen zurück in die Häfen von Câmara de Lobos oder Funchal steuern, glänzen die Fische silbrig in der Morgensonne – ein Anblick, der ebenso bizarr wie faszinierend ist.

So hässlich der Espada aussieht, so fein ist sein Geschmack. Das zarte, weiße Fleisch zählt zu den besten Fischgerichten der Insel. Besonders berühmt ist die Kombination, die zunächst verwundert, aber auf Madeira zum kulinarischen Pflichtprogramm gehört: Espada com Banana – gebratener Degenfisch mit gebackener Banane und einer fruchtig-süßen Sauce. Eine ungewöhnliche Mischung aus Meer und Tropen, aus Atlantik und Sonne – und ein Symbol für das, was Madeira ausmacht: Kontraste, die perfekt zusammenpassen.

Der Espada ist ein hässlicher Kerl, weil er in über 1000 Meter Tiefe lebt. Aber er schmeckt köstlich. ©Johannes Erdmann

Geschichte an Land: Kirchen, Tunnel und Levadas

Zwischen Verproviantierung und Törnplanung bleibt genug Zeit, um Madeira zu erkunden. Die Insel ist klein, aber von erstaunlicher Vielfalt. Über 2.000 Kilometer Levadas – schmale, jahrhundertealte Bewässerungskanäle – ziehen sich wie Adern durch das Landesinnere. Entlang dieser Kanäle führen Wanderpfade durch feuchte Lorbeerwälder, die von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurden.

Wir mieten ein Auto und fahren ins Hochland, um die Levada das 25 Fontes zu erwandern – einen der schönsten Wege der Insel. Der Pfad führt durch eine fast märchenhafte Landschaft: Moos, Nebel, Wasserfälle – Madeira riecht hier nach Erde, Regen und einem Hauch von Atlantik.

Die Wanderung zu den 25 Quellen lohnt sich sehr. ©Johannes Erdmann

Am Ende des Weges stehen wir vor einer Felswand, aus der Dutzende Quellen sprudeln. Hier zeigt sich, warum Madeira oft die „Insel der vier Jahreszeiten“ genannt wird: In den Bergen ist es kühl und feucht, die Wolken der Nordseite regnen sich an den Hängen ab und stürzen als Wasserfälle talwärts. Über die Levadas wird das klare, eiskalte Wasser in die Täler geleitet – zu den Gärten, Feldern und Terrassen an der Südküste.

Vor dem Bau der vielen Tunnel war die Fahrt über die Insel beschwerlich. Eine Rundfahrt dauerte einen guten Tag. Heute nur wenige Stunden. ©Johannes Erdmann

Auf dem Rückweg erleben wir den Wandel in umgekehrter Richtung: Der Nebel lichtet sich, am Wegrand blühen Frühlingsblumen, und weiter unten empfängt uns ein warmes, sonnendurchflutetes Madeira, in dem der Sommer bereits begonnen hat.

Während es in den Bergen in den Wolken kalt und nebenlig ist, scheint unten an der Küste die Sonne bei sommerlichen Temperaturen. ©Johannes Erdmann

In der Stadt selbst sind die Spuren der Geschichte greifbar: Die Kathedrale Sé, 1514 geweiht, gilt als ältestes Bauwerk Funchals. Der Botanische Garten zeigt Pflanzen aus allen Tropenregionen, die portugiesische Seefahrer von ihren Reisen mitbrachten. Und wer den Mut hat, fährt mit der alten Korbschlittenbahn vom Monte zurück ins Tal – ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert, das noch heute Touristen begeistert.

An der Nordküste sind die Straßen noch nicht so gut ausgebaut, oft führen sie knapp am Abhang entlang. ©Johannes Erdmann

Die Nordküste – wilde Seite des Atlantiks

Wir nehmen einen Mietwagen und fahren die Nordküste entlang. Tunnel, Serpentinen, Ausblicke, bei denen einem die Luft wegbleibt. Vor allem, wenn auf den ohnehin schmalen Straßen ein Reisebus entgegenkommt und man beim Ausweichen knapp an den Abhang ranmanövrieren muss. In Porto Moniz peitscht der Atlantik über die Felsen, die natürlichen Lavabecken sind deshalb gesperrt – zu gefährlich. Im Sommer ein Badeparadies, im Winter ein Schauspiel der Naturgewalt.

São Vicente wirkt wie aus einer anderen Zeit: enge Gassen, Lavahöhlen, alte Steinhäuser. Der Regen kommt horizontal, Nebel hängt in den Tälern. Hier ist also die vierte Jahreszeit, der Herbst. An einer Straßenbiegung stehen wir plötzlich mitten in einer Herde Ziegen – der Kontrast zwischen Wildnis und Alltag.

Der Yachthafen in Calheta ist nett, hat aber in der Umgebung des Hafens nicht viel zu bieten. ©Johannes Erdmann

Auf dem Rückweg besuchen wir noch zwei weitere Häfen. Calheta, ganz im Westen der Insel, ist eher ein lokaler Fischerhafen. Zwischen den bunt gestrichenen Angelbooten der Einheimischen wirkt eine Fahrtenyacht hier fast fehl am Platz. Für einen Zwischenstopp mit dem eigenen Boot lohnt sich der Abstecher kaum – abgesehen von ein paar Bars und Restaurants gibt es wenig, was Segler anzieht.

Ganz anders – oder besser gesagt: gar nicht mehr existent – ist der zweite Hafen auf dem Weg zurück nach Funchal. Die Marina Lugar de Baixo bei Ponta do Sol wurde 2003 eröffnet und nur ein Jahr später durch einen schweren Atlantiksturm vollständig zerstört. Die Wellen brachen über die Schutzmauer, rissen die Kaimauer ein und spülten ungebremst durch die Hafenanlagen. Der Hafen wurde nie wieder instand gesetzt; heute ist das Areal renaturiert, nur das alte Hafenbecken erinnert noch an das ehrgeizige, aber vom Atlantik gescheiterte Projekt.

Der Yachthafen Lugar de Baixo sollte ein Anlaufpunkt für viele Yachten werden – doch bereits im ersten Wintersturm forderte die See ihn zurück. ©Johannes Erdmann

Abschied und Aufbruch über den Atlantik

Nach einigen Wochen auf Madeira ist die Insel erkundet und das Boot wieder bereit zur Weiterreise. Wassertanks voll, Diesel gebunkert, Lebensmittel verstaut. Noch einmal über den Markt, frisches Obst und Brot einsammeln, dann legten wir ab – Kurs Südwest, Richtung Kanaren und weiter über den Atlantik.

Nach einer tollen Zeit auf Madeira nehmen wir Kurs zurück auf den Atlantik. ©Johannes Erdmann

Hinter uns verschwindet Madeira langsam im Dunst. Der Wind ist moderat, die See ruhig. Ich sitze im Cockpit, sehe den letzten Lichtpunkt der Insel verblassen und denke: Madeira ist keine Destination, die man abhakt. Es ist ein Ort, der bleibt – in der Erinnerung, im Logbuch und im Geruch von feuchtem Lorbeer, der einem noch Tage später in der Nase liegt. Es war mein zweiter Besuch mit dem eigenen Boot. Und wird nicht der letzte sein.

Wetter & Klima je Jahreszeit

Madeira profitiert von einem milden subtropischen Klima mit moderaten Temperaturen und relativ gleichmäßigem Wetter. Die Unterschiede zwischen Nord- und Südseite der Insel sind oft sehr ausgeprägt, vor allem was Wolken und Niederschlag betrifft.

Winter (Dez – Feb / Mär): Kühlere Monate, öfter Regen und Schauer, 18 bis 20 Grad Celsius tagsüber. Gute Zeit zum Aufenthalt, weniger starke Sonne, aber unbeständiges Wetter möglich.
Frühling (Mär – Mai): Mäßig warme Tage, gelegentlicher Regen, Temperaturen um 20 bis 24 Grad Celsius. Gute Übergangszeit, Insel erwacht, weniger Touristen.
Sommer (Juni – Aug / Sep): Sonne & Trockenheit dominieren, Temperaturen bis 25 bis 27 Grad Celsius, kaum Regen. Beste Segelzeit, stabile Bedingungen.
Herbst (Sep – Nov): Übergangszeit mit gelegentlichem Niederschlag. Noch gute Segelbedingungen, aber Regenwahrscheinlichkeit steigt.
Wassertemperaturen liegen ganzjährig zwischen ca. 18 Grad Celsius (Winter) und 24 Grad Celsius (Sommer).

Eine Insel voller Vielfalt und Kontraste. ©Johannes Erdmann

Winde & Segelbedingungen rund Madeira

• Der Nordostpassat ist im Sommer die dominierende Windströmung – stabil, moderat, günstig für südliche Ansteuerungen.
• In Küstennähe und besonders entlang der steilen Hänge treten Fallwinde und Turbulenzen auf – ein dynamisches Mikroklima.
• Bei Westwinden oder Tiefdrucklagen kann es zu stärkerem Schwell kommen, besonders auf offener See oder an exponierten Küstenabschnitten.

Der Wind weht vor der Küste meist konstant aus Nordost, kann an den Küsten jedoch als Fallwind stark werden. ©Johannes Erdmann

Charterboote

Das Angebot an Charteryachten auf Madeira ist überschaubar, obwohl sich das Revier ideal für einen einwöchigen Törn eignet – besonders, wenn man neben der Hauptinsel auch Porto Santo und die abgelegenen Ilhas Desertas (nur mit Sondergenehmigung zugänglich) in die Route aufnimmt. Vercharterer und Anbieter finden sich vor allem in Funchal und Quinta do Lorde, wo auch geführte Törns und Crewed Charters starten.

Für eine deutschsprachige Beratung und die zuverlässige Buchung von Charteryachten bewährter Anbieter auf Mallorca können diese Firmen behilflich sein:

Auf eigenem Kiel

Wer vom Mittelmeer oder den Kanaren auf dem Weg nach Deutschland ist – oder andersherum – für den kann sich ein Abstecher nach Madeira durchaus lohnen. Die Insel liegt rund 470 Seemeilen von Lissabon und 250 Seemeilen von den Kanaren entfernt und bietet genug Sehenswürdigkeiten für einen mehrwöchigen Aufenthalt. Auch die Lagerung eines Bootes ist über längere Zeit gut und sicher möglich, das Boatyard unterhalb des Flughafens besitzt einen Travellift für Boote mit einer Länge bis 18 Meter und einer Breite von 5,75 Metern.

Im Boatyard unterhalb der Landebahn warten die Yachten mit stehendem Mast wie im Hallenwinterlager auf den nächsten Einsatz. ©Johannes Erdmann

Flugverbindungen

• Der Flughafen Madeira (FNC / Cristiano Ronaldo Airport) hat das ganze Jahr über Verbindungen zu europäischen Städten.
• In der Hauptsaison gibt es Direktflüge aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien. In der Nebensaison sind oft Umsteigeverbindungen nötig.
• Bei Ausfällen oder Stürmen sollte man etwas Puffer einbauen, da das Wetter kurzfristig beeinflussbar ist.

Madeira wird mehrmals täglich von Lissabon aus angeflogen. In der Hauptsaison gibt es auch viele Direktflüge von Deutschland aus. ©Johannes Erdmann

Top 10 Sehenswürdigkeiten & Highlights rund Madeira

1. Levadas & Lorbeerwald (Laurisilva) – Wanderungen entlang der Bewässerungskanäle, beispielsweise Levada das 25 Fontes
2. Pico do Arieiro / Pico Ruivo – Hochgebirgsblick über ein Wolkenmeer
3. Cabo Girão – Eine der höchsten Steilklippen Europas
4. Monte & Korbschlittenfahrt in Funchal
5. Altstadt Funchal & Mercado dos Lavradores
6. Santana – Traditionelle strohgedeckte Häuser
7. Porto Moniz / Lavabecken an der Nordküste
8. São Vicente – Lavahöhlen & Küstenklima
9. Câmara de Lobos – malerischer Fischerort
10. Ponta de São Lourenço – östliche Halbinsel mit karger Vegetation

Am Besten ist die Insel per Mietwagen zu erkunden. Aber auch Taxifahrer bieten Festpreise für Fahrten zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, betätigen sich als Reiseführer und sprechen zum Teil sogar deutsch. ©Johannes Erdmann

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