Göta-Kanal: Mit der Segelyacht quer durch Schweden

Ein Beitrag von

Sönke Roever

Sönke hat 100.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und von 2007 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Judith die Welt umsegelt. Er veranstaltet diverse Seminare auf Bootsmessen (siehe unter Termine) und ist Autor der Bücher "Blauwassersegeln kompakt", "1200 Tage Samstag" und "Auszeit unter Segeln". Sönke ist zudem der Gründer von BLAUWASSER.DE und regelmäßig mit seiner Frau Judith und seinen Kindern auf der Gib'Sea 106 - HIPPOPOTAMUS - unterwegs.

Der Göta-Kanal: 102 Seemeilen, 92 Höhenmeter, einmal quer durch Schweden

Knarzend öffnen sich zwei dicke, hölzerne Schleusentore, geben den Weg in die Kammer der ersten Schleuse des Göta-Kanals frei. Die Durchfahrt ist sieben Meter breit. Mehr nicht! Verdammt wenig im Vergleich zur Weite der ostschwedischen Schären mit ihren unzähligen Inseln und Buchten, die im Kielwasser zurückbleiben. Unsere Fahrt auf dem Göta-Kanal beginnt. Wir wollen mit unserer Yacht einmal quer durch Schweden reisen.

Viele Segler glauben, dass der Göta-Kanal Stockholm und Göteborg verbindet. Sehr grob betrachtet stimmt das auch. Allerdings ist der Göta-Kanal nur ein 102 Seemeilen langer Teilabschnitt auf der über 300 Seemeilen langen Passage zwischen den schwedischen Großstädten. Der Göta-Kanal beginnt im Osten beim 50-Einwohner-Dorf Mem, 100 Seemeilen südwestlich von Stockholm. Das westliche Ende markiert der nicht viel größere 500-Seelen-Ort Sjötorp am Ostufer des Vänersees.

Beim 50-Einwohner-Dorf Mem beginnt der Göta-Kanal. ©Sönke Roever

Wer von Sjötorp weiter nach Göteborg möchte, muss nach dem Göta-Kanal noch den etwa 70 Seemeilen weiten Vänersee überqueren und über den Trollhättekanal (46 Seemeilen) bis zum Kattegat beziehungsweise zur Stadt Göteborg weiterreisen.

Apropos Göteborg: Wer annimmt, dass die Stadt Göteborg namensgebend für den Göta-Kanal ist, der irrt. Vielmehr führt der Göta-Kanal durch das gleichnamige Götaland – das ist der südlichste der drei Teile, in die das Land Schweden unterteilt ist. Soweit die geografische Einordnung 🙂

Auf der Göta-Kanal-Fahrt passieren Yachten etliche Schleusen. ©Sönke Roever

Die Fahrtrichtung durch den Göta-Kanal

Zur Routenplanung für die Göta-Kanal-Passage gehört, zu überlegen, in welche Richtung am besten durch den Göta-Kanal gefahren wird. Die gängige Reiseroute verläuft dabei von Ost nach West, weil so sehr gut Boden gegen die im Sommer vorherrschenden Winde aus dem westlichen Sektor gut gemacht werden kann. Umgekehrt erfolgt die Hinreise von der westlichen Ostsee zum Startort Mem tendenziell mit Rückenwind statt mit Gegenwind.

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Der Göta-Kanal bietet eine Reise der anderen Art

Zurück auf den Göta-Kanal. Die Passage ist ein Urlaub der anderen Art. Motoren und segeln finden im Wechselspiel statt, eingebettet in eine einzigartige Landschaft. So auch nach der ersten Schleuse. Unser Schiff hat hier bereits eine Höhe von drei Metern über dem Ostseeniveau erreicht. Die Sonne glänzt mit Anwesenheit, der Stress mit Abwesenheit. Die Boote tuckern im Einklang mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von fünf Knoten gemächlich dahin. Plötzlich ertönt eine Klingel – ein Radfahrer winkt fröhlich und überholt. Das Leben geht auf und entlang des Göta-Kanals angenehm und geruhsam vor sich.

Die Passage auf dem Göta-Kanal ist eine entspannte Angelegenheit. ©Sönke Roever

Die Abmessungen für Yachten auf dem Göta-Kanal

Crews, die durch den Göta-Kanal reisen wollen, sollten vorab prüfen, ob die Abmessungen der Yacht zum System passen. Vorgegeben sind eine maximale Schiffslänge von 30 Metern, eine maximale Schiffsbreite von 7 Metern und ein maximaler Tiefgang von 2,8 Metern. Gut, das dürfte für die meisten Eigner passen. Interessant ist da schon eher die maximale Höhe, die sich aus festen Brücken und Stromleitungen ergibt. Sie beträgt 22 Meter.

Einige Brücken geben eine maximale Durchfahrtshöhe von 22 Metern vor. ©Sönke Roever

58 Schleusen und 50 Brücken säumen den Göta-Kanal

Hinter einer lang gezogenen Kurve taucht die zweite Schleuse auf. Insgesamt wird unser Schiff mithilfe dieser 58 Wasserfahrstühle bis auf 91,8 Meter über das Ostsee-Niveau hinaufgehoben. Das ist beeindruckend!

Neben den 58 Schleusen stellen sich den Kanalfahrern über 50 Klapp-, Dreh- und Hubbrücken in den Weg. Im Durchschnitt gibt es pro Seemeile eine Unterbrechung. Daher wird die Wasserstraße in Seglerkreisen auch gern „das längste Abenteuer Schwedens“ genannt.

58 Schleusen werden auf dem Göta-Kanal passiert. ©Sönke Roever

Die Öffnung der Brücken und Schleusen ist auf die vorgegebene Geschwindigkeit getaktet. Wer rast, muss warten. Das klingt nach einem bestechend einfachen System. Allerdings funktioniert das nicht immer so reibungslos, wie es klingt. An der Schleusentreppe in Berg haben wir beispielsweise etwas Pech. Es wird gerade in die entgegengesetzte Richtung geschleust. Die Wartezeit beträgt daher knapp zwei Stunden. „Nästa Slussar 17.30 Uhr“, verkündet die Digitalanzeige an der untersten der sieben Kammern.

An Schleusentreppen können Wartezeiten entstehen. ©Sönke Roever

Wir nehmen es gelassen. Nach vier Passagen durch den Göta-Kanal in den letzten 20 Jahren wissen wir um diesen Umstand, haben Zeit im Gepäck, genießen Kaffee und Kuchen im Cockpit, bevor die 18 Meter erklommen werden. Auf dem Nachbarschiff geht es weniger gelassen zu. „So ein Mist, da kommen wir heute nicht mehr weit. Erst die Warterei an der Eisenbahnbrücke in Norsholm und jetzt hängen wir hier auch schon wieder fest”, schimpft der Eigner einer Oceanis lautstark in der Gegend herum. Schade, wer so reist, verschenkt in meinen Augen die Erholung, die der Göta-Kanal zu bieten hat.

Die Schleusentreppen sind ein Highlight des Göta-Kanals. ©Sönke Roever

Mit Zeit im Gepäck reist es sich entspannter auf dem Göta-Kanal

„Wie viel Zeit braucht man für die Passage auf dem Göta-Kanal?“ ist eine Frage, die mir immer wieder Teilnehmer im Rahmen unseres jährlich stattfindenden Ostsee-Seminars stellen. „Schleusen, Brücken, Wartezeiten. Wie ist das einzuordnen?“ Die Fragen sind berechtigt.

50 Brücken überspannen den Göta-Kanal. ©Sönke Roever

Man kann den Göta-Kanal sicherlich irgendwie in fünf Tagen schaffen, aber das ist nicht der Sinn der Sache. Hier wird nicht überholt. Hier wird nicht gedrängelt. Hier wird langsam gereist. In den Häfen liegen oft die gleichen Schiffe nebeneinander. Ein Leben im Konvoi. Man grüßt sich, kennt sich, fährt miteinander – und trotzdem ist der Göta-Kanal nicht überfüllt. Er ist keine Autobahn mit kilometerlangen Staus – eher eine Kopfsteinpflasterstraße mit Ampeln. Kleine Etmale von gerade einmal zehn Seemeilen sind keine Seltenheit. Urlaub im Urlaub für die Logge und die Reisenden. Wer Hast und Eile vergisst, kann viel entdecken. So gesehen sind eher zehn bis 14 Tage für die Passage auf dem Göta-Kanal mit einer Yacht ratsam.

Entlang des Göta-Kanals gibt es viele idyllische Flecken. ©Sönke Roever

Zurück aufs Wasser: Orte mit eher bedeutungslosen Namen kommen und gehen. Jeden Tag geht es ein Stück weiter – irgendwo im Nirgendwo in Schweden. Während ich normalerweise gerne den geografischen Überblick habe, ist mir das auf dem Göta-Kanal ein Stück weit egal. Hier sind wir in einer heilen schwedischen Sommerwelt fernab unseres sonst so hektischen Hamburger Großstadtlebens unterwegs. Wir halten an, wenn es etwas zu sehen gibt, lassen uns treiben, ordnen uns dem Takt des Göta-Kanals unter und genießen die Entschleunigung im Kopf, die die Wasserstraße bietet. Das hat seinen Reiz und ist einer der wesentlichen Gründe, warum ich als eingefleischter Segler freiwillig motore und hier immer wieder durchfahre.

Irgendwo im Nirgendwo geht es einmal quer durch Schweden. ©Sönke Roever

Die Öffnungszeiten des Göta-Kanals

Der Göta-Kanal ist ein Sommerkanal, weil er nur dann geöffnet ist. Üblicherweise beginnt die Yachtsaison Anfang Mai und endet Ende September. Die beste Zeit für eine Passage auf dem Göta-Kanal ist zwischen Mitte Juni und Mitte August – das ist die Hauptsaison. Die Zeitabschnitte davor und danach heißen Vorsaison und Nachsaison. Die exakten Zeiten sind auf der Webseite der Kanalverwaltung zu finden.

Auch in der Hauptsaison lassen sich am Göta-Kanal einsame Liegeplätze ohne Trubel finden. ©Sönke Roever

Während der Vorsaison und der Nachsaison wird von der Kanalverwaltung vorgegeben, welcher Abschnitt an welchem Tag im Konvoi nach einem festen Fahrplan befahren wird. Dazu melden sich die Yachten bei der Kanalverwaltung fünf Tage vorher an. Deutlich entspannter ist meiner Meinung nach die Passage in der Hauptsaison. Dann gibt es keine Restriktionen und ich kann mich mit meiner Yacht komplett frei auf dem Göta-Kanal bewegen. Das lässt viel mehr Freiheiten bei der individuellen Törngestaltung. In der Hauptsaison kann der Göta-Kanal zwischen 09.00 und 18.00 Uhr befahren werden.

Nachts ist der Göta-Kanal geschlossen. ©Sönke Roever

Sehenswertes entlang des Göta-Kanals

Auch wenn es entlang des Göta-Kanals herrlich unaufgeregt zugeht, gibt es ein paar Stationen, die viele Segler kennen. Beispielsweise liegt der Kanal bei Söderköping so hoch, dass man aus dem Cockpit in die erste Etage der Häuser blickt. Mehr noch: Hier ist die bekannteste Eisdiele Schwedens zu finden. Sie heißt „Smultronstället“ und viele Crews haben sich schon über die langen Menschenschlangen gewundert.

Am Göta-Kanal liegt Schwedens berühmteste Eisdiele. ©Sönke Roever

An der berühmten Schleusentreppe von Berg ist im Sommer auch viel Leben zu finden. Sieben Kammern werden hier am Stück überwunden und das zieht Schaulustige an. Bei Ljungsbro wiederum geht es mittels eines Aquäduktes über eine Landstraße, in Borensberg müssen alle Crewmitglieder mit anpacken, um die Tore der letzten von Hand betriebenen Schleuse zu schließen. In Motala sitzt die Kanalverwaltung und direkt am Ufer des Göta-Kanals steht das Mausoleum von Kanalbauer Graf Baltazar von Platen.

An der Schleusentreppe in Berg stehen oft Schaulustige. ©Sönke Roever

Der Göta-Kanal ist ein historisches Bauwerk

Der Name des Göta-Kanal-Erbauers ist eng mit der Wasserstraße verknüpft. Graf Baltazar von Platen schaffte es Anfang des 19. Jahrhunderts, die Regierung von der Notwendigkeit des Göta-Kanals zu überzeugen. 22 Jahre lang schufteten 58.000 Soldaten, Zwangsarbeiter und Freiwillige, sechs Tage in der Woche, zwölf Stunden pro Tag, um mit Spitzhacke und Schaufel das Kanalbett auszuheben. 1832 wurde schließlich die neue Verbindung zwischen zentraler Ostsee und dem Vänersee eingeweiht.

„Anno 1890“ ist in die Mauer dieser Schleuse eingraviert. ©Sönke Roever

Während der Göta-Kanal ursprünglich für industrielle Zwecke erbaut wurde, motoren heute jährlich 4.500 Sportboote auf dem Kanal hin und her. Liegeplätze gibt es in 20 gut ausgerüsteten Häfen entlang der Strecke. Fast alle haben WC, Dusche, Strom und Wasser. Die Liegegebühren für bis zu drei Nächte pro Hafen (!) sind im Preis für die Göta-Kanalfahrt inbegriffen.

Entlang des Göta-Kanals gibt es 20 gut ausgerüstete Häfen. ©Sönke Roever

Die Höhe der Kanalgebühren auf dem Göta-Kanal

Manche Skipper monieren die Höhe der Kanalgebühren. Ich finde sie in Ordnung, wenn man sich Zeit lässt, rechnet sich das allemal. Man sollte dabei bedenken, dass die Häfen alle inklsuive sind und man sollte nicht außer Acht lassen, dass hier ein Bauwerk aus dem vorletzten Jahrhundert instand gehalten wird, damit Sportboote auf dem „längsten Abenteuer Schwedens“ einmal quer durch das Land reisen können.

Das Schleusen ist ein besonderes Erlebnis. ©Sönke Roever

So gelingt das Schleusen mit Yachten auf dem Göta-Kanal

Ein anderer Name für den Göta-Kanal ist „Scheidungs-Kanal“, weil sich angeblich schon etliche Paare in den 58 Kammern auseinander „geschleust“ haben. Ich halte das für übertrieben, da es eine vorgegebene Technik gibt, die das Schleusen denkbar einfach macht. Wer sich daran hält, wird keine Probleme mit dem Schleusen haben.

Für das Schleusen gibt es eine bestimmte Leinentechnik. ©Sönke Roever

Generell gilt: Es wird nicht gedrängelt. Eine Crew, die zuerst vor den Toren war, darf auch zuerst in die Schleuse einfahren – es sei denn, der Schleusenwärter gibt abweichende Anweisungen. Normalerweise bleibt dann in den nachfolgenden Kammern jeder an der gleichen Liegeposition. Das erspart allen Beteiligten das Umhängen von Fendern und Verändern der Leinen.

Bei aufeinanderfolgenden Kammern bleiben Yachten an der gleichen Position. ©Sönke Roever

Auf der Mauerseite werden mindestens fünf ausreichend große Fender ausgebracht, am besten eignen sich Kugelfender. Ein Fenderbrett ist ebenfalls hilfreich. Auf der Seite zum Nachbarschiff genügen zwei bis drei normale Fender.

Fender: Viel hilft viel! ©Sönke Roever

Das Aufwärtsschleusen auf dem Göta-Kanal

Beim Aufwärtsschleusen werden vor dem Einlaufen zwei lange Festmacher jeweils mit einem großen Auge versehen (Vorleine und Achterleine). Da es in den Kammern keine Leitern gibt, wird unmittelbar vor der Schleuse ein Crewmitglied mit beiden Leinen abgesetzt.

Vor der Schleuse geht ein Crewmitglied mit den Leinen an Land. ©Sönke Roever

Hat das Boot in der Kammer seine Position erreicht, werden die Augen der Festmacher über Befestigungsringe am oberen Ende des Mauerwerks gelegt und die Ringe darüber geklappt. Dabei steht die Achterleine möglichst senkrecht über dem Heck, die Vorleine hingegen wird mindestens eine halbe Schiffslänge vor dem Bug befestigt.

Die Augen der Festmacher werden über Befestigungsringe im Mauerwerk gelegt. ©Sönke Roever

Das schiffsseitige Ende der Vorleine wird am Bug durch die Klampe oder über einen Block nach achtern auf die Winsch geführt. Während die Achterleine am Heck belegt und erst unmittelbar vor dem Ausfahren wieder gelöst wird, wird die Vorderleine bequem nach und nach über die Winsch dichtgeholt, wenn das Wasser in die Kammer schießt und der Pegel steigt. Wichtig: Die Leinen niemals aus der Hand fahren!

Mit Hilfe der Winsch werden die Festmacher in der Schleuse dicht genommen. ©Sönke Roever

Das Abwärtsschleusen auf dem Göta-Kanal

Beim Abwärtsschleusen bleibt die Crew an Bord, bis das Schiff in der Schleuse ist. Die Festmacher werden durch die Ringe an Land zurück aufs Schiff geführt. An Bord die Enden nicht belegen. Sie werden lose aus der Hand gefahren. Vor dem Auslaufen können dann die Leinen bequem vom Schiff aus wieder eingeholt werden.

Die Schleusenwärter sind sehr hilfsbereit und können Tipps zum Schleusen geben. ©Sönke Roever

Tipp: Das Schleusen ist ausführlich in der Infobroschüre beschrieben, die jeder Göta-Kanal-Fahrer an der ersten Schleuse erhält.

Segeln auf dem Göta-Kanal

So abwechslungsreich die Passage durch den Göta-Kanal auch ist, einen kleinen Wermutstropfen gibt es dann doch: Das Segeln ist auf dem engen, kurvenreichen Gewässer zu gefährlich und daher verboten. Das heißt aber keineswegs, dass die Tücher die gesamte Zeit über eingepackt bleiben – schließlich werden fünf Seen durchquert und da kann sehr gut gese(e)gelt werden. Konkret sind das der Asplängen, der Roxen, der Boren, der Vättersee und der Viken.

Es werden fünf Seen überquert. Da kann sehr gut gesegelt werden. ©Sönke Roever

Eine Seekarte zur Orientierung brauchen Göta-Kanal-Fahrer auf den 190 Binnenkilometern nur selten. Dennoch sollte sie an Bord sein, weil sie eine gute Orientierung über den Streckenverlauf bietet. Auf den fünf Seen hingegen ist sie unerlässlich. Abseits der gut betonnten Fahrwasser wird es schnell flach und mitunter liegen auch Schären in den Seen. Eine Kollision mit ihnen gilt es logischerweise zwingend zu vermeiden.

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Am vierten Tag unserer Reise ist es so weit. Ein leichter Südost beschert raume Kurse auf dem Boren-See, dem dritten der insgesamt fünf Seen. Unter Groß und Genua geht es mit vier Knoten über das glatte Wasser. Wellen Fehlanzeige. Woher sollten die auch kommen? Das Gewässer ist gerade mal sieben Seemeilen lang und eine Seemeile breit. Entsprechend ist der Segelspaß nach gut einer Stunde auch schon wieder vorbei.

Seen wie der Boren laden zum Segeln ein. ©Sönke Roever

Etwas anders verhält es sich auf dem Vättersee. Mit einer Ausdehnung von 65 Seemeilen in Nord-Süd- Richtung ist er ein weitläufiges Segelrevier und für Abstecher von der eigentlichen Kanalroute gut geeignet; zum Beispiel nach Vadstena. Der Gasthafen befindet sich im alten Wallgraben vor einem Schloss. „Hätte ich gewusst, dass es hier so idyllisch ist, hätten wir bei unserer Tour vor sechs Jahren Vadstena nicht einfach links liegen gelassen“, teilt ein deutscher Segler dem Hafenmeister seine Begeisterung mit. „Wir bezahlen gleich für zwei Nächte und gucken uns morgen erst mal alles in Ruhe an.“

Im Hafen von Vadstena wird im Wallgraben vor dem Schloss festgemacht. ©Sönke Roever

Die spontane Reaktion des anderen Seglers verwundert nicht. Der malerische Ort Vadstena am Vättersee beherbergt viele Sehenswürdigkeiten. Neben dem Schloss das Rathaus aus dem 14. Jahrhundert, viele restaurierte Bürgerhäuser sowie ein Kloster von 1260. Abgerundet wird das Erscheinungsbild durch ein umfangreiches Konzert- und Kulturprogramm. Abends findet im Innenhof des Schlosses ein Pop-Konzert einer schwedischen Künstlerin statt. Gesang, Applaus und eine kräftige Prise schwedische Sommergelassenheit umwehen den Yachthafen und unser Cockpit. Wir lassen uns anstecken. Im Schein der Petroleumlampe wird es etwas später …

Viele Studenten arbeiten in den Sommermonaten am Göta-Kanal. ©Sönke Roever

Bei Forsvik beginnt der schönste Abschnitt des Göta-Kanals

Am achten Tag liegt Forsvik an Backbord voraus. Wir müssen noch einmal warten, weil die 300 Meter lange Zufahrt zur ältesten Schleuse des Göta-Kanals nur sieben Meter breit ist und ein Ausflugsdampfer entgegenkommt. Ein Ampelsystem regelt den Verkehr. Auf der Pier erscheint Johanna Eriksson und gibt Anweisungen, in welcher Reihenfolge die Sportboote in die Kammer fahren sollen. Sie ist Schleusenwärterin und an diesem Tag für Forsvik zuständig. Wie viele andere Studenten arbeitet sie im Sommer am Göta-Kanal. Ein Traumjob, wie sie findet. „Ich bin den ganzen Tag an der frischen Luft, kann meine Deutschkenntnisse verbessern und treffe viele nette Menschen.”

Bei Forsvik wird die älteste Schleuse des Göta-Kanals passiert. ©Sönke Roever

An unserer Yacht reicht Johanna die Anzahl der ausgebrachten Fender nicht. „Nehmt vorn besser noch einen dazu. Die Wände in der Kammer sind sehr uneben.“, rät sie uns. Johanna hat recht. Im Vergleich zu allen anderen Schleusen sind die Mauern der Kammer in Forsvik krumm und schief. Sie sehen aus wie wild in die Felsen gesprengt.

Hinter Forsvik folgt einer der markantesten Abschnitte des Göta-Kanals. Durch enge Fahrwasser geht es im Einbahnstraßenverkehr durch dichte Nadelwälder und über den See Viken. Winzige Schäreninseln ziehen vorbei, während wir nur mit der gesetzten Fock gemächlich dahingleiten.

Einer der landschaftlich reizvollsten Abschnitte der Passage ist der Vikensee. ©Sönke Roever

Auf dem See Viken sind wir am Scheitelpunkt des Göta-Kanals angekommen. 91,8 Meter über der Ostsee. Von nun an geht es bergab. Vorher ankern wir aber noch eine Nacht auf dem Vikensee inmitten der reizvollen Natur. Die Stille der Nacht ist hier mindestens genauso beeindruckend wie der aufgehende Vollmond und der Sternenhimmel am klaren schwedischen Sommernachtshimmel.

Auf dem Vikensee kann auch sehr gut geankert werden. ©Sönke Roever

Die Ankerkette rasselt, der lehmige Grund gibt den Anker frei und es geht weiter auf den, in meinen Augen, schönsten Abschnitt des Göta-Kanals. Dichter Wald reicht bis an das Ufer heran und lässt zwischen Tätorp und Töreboda die Welt in den unterschiedlichsten Grüntönen erscheinen. Dazwischen verläuft das Kanalbett mit seinem bräunlichen, lehmhaltigen Wasser. Manche nennen den Göta-Kanal auch „das blaue Band Schwedens”. Diese Assoziation ist aber wohl weniger vor Ort als vielmehr beim Blick auf eine Landkarte entstanden.

Der Göta-Kanal hat viele Gesichter. ©Sönke Roever

20 Schleusen sind es jetzt noch bis Sjötorp. Dort endet die Fahrt durch den Göta-Kanal und es beginnt der nächste Abschnitt: die Reise über einen der größten Seen Europas – den Vänersee. Mit seinen gigantischen Ausmaßen ist er elfmal so groß wie der Bodensee. 5.648 Quadratkilometer weit, 106 Meter tief und mit 22.000 Inseln übersät. Seine Größe verleiht ihm einen wechselhaften Charakter: Felsinseln und Schären, einsame Buchten, weitläufige Sandstrände, mit Schilf überzogene Ufer oder offenes Meer mit endlosem Horizont. Der Vänersee ist gefühlte Miniatur-Ostsee in 44 Metern Höhe. Er ist ein eigenes Urlaubsrevier für sich und kein Teil dieses Beitrags.

Nach dem Göta-Kanal folgt der Vänersee. ©Sönke Roever

Fazit

Nach einem Abschlussfoto an der letzten Schleuse Nummer 1 in Sjötorp bleibt der Göta-Kanal achteraus. 12 Tage lang sind wir einmal quer durch das schwedische Binnenland gebummelt. Ein Revier, das auch für eingefleischte Segler mit seinem ganz eigenen Törncharakter eine interessante Abwechslung auf dem Törnplan darstellt.

Kanal-Idylle ©Sönke Roever

Wer sich auf die angebotene Entschleunigung einlässt und den Göta-Kanal mit Zeit im Gepäck bereist, erfährt im wahrsten Sinne des Wortes seinen Reiz in Gänze. Hinzu kommen dann noch die wunderbare Landschaft und die jahrhundertealte Infrastruktur. Das lässt sich aushalten und da stört es auch nicht, dass die Weite der Ostsee mal ein paar Tage im Kielwasser verschwunden war. 🙂

Diese Charter-Agenturen helfen dir, eine Yacht zu finden

Auf dem Göta-Kanal gibt es vereinzelt auch Charterangebote. Für eine deutschsprachige Beratung und die zuverlässige Buchung von Charteryachten bewährter Anbieter können diese Firmen behilflich sein:

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Ingo
Ingo
1 Jahr her

Sehr schöner Bericht und für uns sehr passend, da der Göta-Kanal diesen Sommer eingeplant ist.
Für uns stellt sich momentan die Frage, ob im Juni von West nach Ost, oder Ende August von Ost nach West?
Gibt es hierzu Empfehlungen / Meinungen?

Reiner
Reiner
8 Monaten her
Reply to  Ingo

Wir sind im Mai/Juni West-Ost gefahren. Haben vor Beginn der Hauptsaison noch ausgiebig den Vännern besiegelt. Hatten dann das Glück wegen einer Westwindlage alle Seen des Götakanals segeln zu können.

Jochen M.
Jochen M.
1 Jahr her

Moin moin, vielen Dank für den Tipp mit der Vergünstigung. Es hat prima geklappt. Sind jetzt das zweite Mal auf dem Kanal unterwegs, von West nach Ost. Einen schönen Segelsommer wünschen Jochen und Birgit mit “PINGO VIII”

Torsten
Torsten
8 Monaten her

Moin, vielen Dank für den Hinweis auf die Rabattaktion, perfektes Timing – die Passage ist gebucht.
Der Götakanal (Mem-Sjötorp) wird die zentrale Etappe meiner (Segel-)Auszeit in diesem Jahr 😉
Nachdem wir den Kanal beginnend vor 20 Jahren in div. Urlauben kennengelernt und viele schöne Boote gesehen haben, geht es endlich mit dem eigenen Boot dorthin..

Till Vieregge
Till Vieregge
5 Monaten her

Wie immer bei Sönke Röver: klar strukturiert und verständlich! Es ist das Beste und Hilfreichste, was wir zum Göta-Kanal finden konnten.
Wir sind jetzt kurz vorm Vänersee angekommen (aus Mem)
Das Schleusen empfanden wir allerdings als ziemlich aufregend und nicht ganz so entspannend für Schiff und Crew!
Viele Grüße von der Gemini II